Integration und Inklusion: Behindertenhilfe interkulturell öffnen

Jeder zehnte Migrant hat eine Behinderung. Der Zugang zu Hilfsleistungen ist schwierig. Fachleute diskutieren darüber, wie es besser geht.

Zwei Männer in Rollstühlen unterhalten sich miteinander, im Hintergrund eine Zeltstadt und weitere Menschen

Menschen auf der Flucht an der griechisch-mazedonischen Grenze Foto: dpa

BERLIN taz/epd | Die Beratung und die Hilfen für Migranten mit Behinderung in der Bundesrepublik sind unzureichend. Auf diverse Missstände haben am Dienstag die Beauftragen der Bundesregierung für Menschen mit Behinderung, Verena Bentele, und für Migration und Flüchtlinge, Aydan Özoğuz, hingewiesen und mit Fachleuten über Lösungsansätze diskutiert, wie Migranten mit Behinderungen einen besseren Zugang zu Hilfsangeboten erhalten können.

Von fast 17 Millionen Migranten in Deutschland haben1,6 Millionen Menschen eine Beeinträchtigung. Die Probleme sind vielfältig. Geflüchtete haben oft keine Ahnung, welche Beratungs- und Hilfestrukturen es in Deutschland gibt. Zudem fehlten passende Angebote beispielsweise bei Integrationskursen oder den Beratungsstellen der Kommunen und Verbände.

„Jemanden zu finden, der Arabisch und Gebärdensprache kann, ist auch eine Herausforderung“, so Bentele. Auch barrierefreie Beratungsstellen für Migranten seien in Deutschland selten. Außerdem gibt es auch sprachliche und kulturelle Hindernisse, die dazu führen können, dass ein behindertes Kind von Familien aus Scham und Angst vor gesellschaftlicher Ächtung versteckt wird. „Eine Behinderung wird von Familien häufig als eine Strafe Gottes angesehen“, sagte Özogus.

Es sind vor allem Kinder und Jugendliche, die von Hilfen nicht erreicht werden. Das lässt sich besonders deutlich an der Integrationsleistung in den Schulen und in der Ausbildung erkennen. Überdurchschnittlich oft landen Migrantenkinder mit Behinderung in Förderschulen, in denen vor allem der Bedarf an Sprachförderung nicht gedeckt wird. Laut aktuellem Teilhabebericht haben 42 Prozent der Migranten mit Behinderung keinen Berufsabschluss.

Nicht nur nach Name und Herkunft, auch nach Bedarf fragen

Ralph Tiesler, Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), weist auf Integrationskurse für Menschen mit Behinderung hin. Diese gäbe es schon seit 2005, darunter seien auch spezielle Angebote für Frauen, Jugendliche und Analphabeten geschaffen worden. Diese Kurse seien aber nicht ausgelastet. 5,8 Millionen Euro seien bisher in Kurse geflossen. Oft seien aber sehr viel weniger Teilnehmer als veranschlagt angemeldet, zum Teil säßen nur vier Teilnehmer in den Kursen.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Özoguz, will die Behindertenhilfe für Migranten in Deutschland noch weiter öffnen. „Wir brauchen sowohl die interkulturelle Öffnung der Behindertenhilfe als auch die Inklusion in der Integrationsberatung“, erklärte Özoguz.

Bentele unterstrich, noch immer sei es schwierig, die Bedarfe von Migranten mit Behinderungen zu erkennen. Für sie sei der Zugang zum Hilfesystem noch zu schwierig. Sie schlug vor, dass Geflüchtete bei der Einreise nicht mehr nur nach Namen und Herkunft, sondern auch nach möglichen Behinderungen und Bedarfen gefragt werden. Das geschehe derzeit erst, wenn sie auf die Kommunen aufgeteilt würden.

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