Interview CDU-Sprecher Jens Spahn: "Gesundheit wird teurer"

Elf Milliarden Euro fehlen nächstes Jahr den Krankenkassen, sagt Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU. Er verteidigt Röslers Kopfpauschale.

Protestaktion gegen den von der FDP betriebenen Abbau der Solidargemeinschaft in der Krankenversicherung. Bild: dpa

taz: Herr Spahn, heute trifft sich die Regierungskommission zum dritten Mal - eigentlich könnte Sie doch jetzt die Arbeit einstellen, oder?

Jens Spahn: Nein. Wir erwarten für das nächste Jahr ein Defizit der Krankenversicherung von elf Milliarden Euro. Es kann also nicht bleiben, wie es ist. Wir brauchen eine breitere Finanzierungsgrundlage. Daran arbeiten wir.

Fakt ist: Alles, was nach Kopfpauschale aussieht, werden SPD, Grüne und Linke bei den neuen Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat ablehnen.

Jens Spahn, 29, geboren in Ahaus im Münsterland, ist gesundheitspolitischer Sprecher der CDU. Seit 2002 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages.

Der Bundesrat ist keine Parteiveranstaltung, sondern eine Länderkammer. Da zählen gute Argumente. Und die haben wir zahlreich für eine lohnunabhängigere Finanzierung. Wir diskutieren aber auch Varianten, bei denen der Bundesrat nicht zustimmen muss.

In Nordrhein-Westfalen haben über 100.000 Menschen gegen die Kopfpauschale unterschrieben. Unterschätzt die CDU das Thema?

Die SPD-Kampagne ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Menschen wissen, dass wir Veränderungen brauchen. Ich hoffe, dass sich nun der Rauch verzieht und wir eine sachliche Debatte führen können.

In der Diskussion ist eine Mini-Pauschale von rund 30 Euro. Dieser Betrag könnte wegen steigender Kosten bald sehr viel höher sein. Ist das tragbar?

Für Beträge über acht Euro benötigen wir einen steuerfinanzierten Sozialausgleich, der möglichst unbürokratisch sein sollte. Aufwand und Ertrag der Reform müssen am Ende in einem angemessenen Verhältnis stehen, sonst lohnt sich die Mühe nicht.

Woher wollen Sie das Geld für den Sozialausgleich nehmen? Deutschland gibt Milliarden an Euro in Europa aus und hat selbst kein Geld.

Uns ist klar, dass wir nur mit einer geringen Prämie starten können. Entscheidend ist, dass im ersten Schritt der Sozialausgleich technisch funktioniert. Erst in wirtschaftlich besseren Zeiten ließe sich die Summe erhöhen.

Wie wollen Sie die steigenden Gesundheitskosten in den Griff bekommen?

Das Pharmasparpaket bringt im nächsten Jahr schon zwei Milliarden. Die Wahrheit ist aber: In einer älter werdenden Gesellschaft mit medizinischem Fortschritt wird Gesundheit nicht billiger.

Also wird es Leistungskürzungen geben?

Die Menschen wollen lieber eine gute, flächendeckende Versorgung und sind bereit, dafür zu zahlen. Jetzt kann man streiten, wie dies finanziert wird: Steuern, Beiträge, Prämie.

Bitte, sagen Sie es!

Wir suchen in der Kommission den richtigen Finanzierungsmix. Aber die ehrliche Botschaft bleibt: Gesundheit wird teurer werden.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in dieser Legislaturperiode eine Reform gibt, die nicht nur politischer Kompromiss ist, sondern die Situation im Gesundheitswesen wirklich verbessert?

Wir werden nur zustimmen, wenn es im Ergebnis besser wird. Einen bloßen Formelkompromiss wird es nicht geben. Evolution statt Revolution ist dabei die Maxime. Den allein seligmachenden Totalumbau gibt es nicht.

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