Interview zur Grünen Woche: Wie ethno ist bio?: "Die Kaufkraft ist nicht vorhanden"

Türkische Bioprodukte sind eigentlich im Trend, aber für viele in der Gegend ist Bio einfach zu teuer, sagt der Schöneberger Bioladenbesitzer Ahmet Gürez.

Noch nicht so recht in die türkisch-deutsche Küche integriert: Biotofu. Bild: dpa

taz: Herr Gürez, es gibt nicht viele Bioladenbesitzer nichtdeutscher Herkunft. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Ahmet Gürez: Ich esse seit fast 20 Jahren kein Fleisch und habe früher schon gegen Umweltverschmutzung oder AKWs demonstriert. Das Geschäft ist gut und außerdem ernähre ich mich selber auch von Bioprodukten, weil sie gesund und umweltfreundlich sind.

Seit wann haben Sie Ihre Biogeschäfte?

Ahmet Gürez

lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Der gelernte Elekrotechniker betreibt ein Biobistro (Ölweide) und einen Naturkostladen in der Schöneberger Pohlstraße.

Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) hat am Donnerstagabend die Internationale Grüne Woche eröffnet. Die nach Angaben der Veranstalter weltgrößte Verbraucherschau für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau erlebt in diesem Jahr ihre 76. Auflage. Polen ist diesmal Partnerland der Messe und gestaltete bei der Eröffnungsfeier im ICC das Bühnenprogramm.

Ab heute ist die Messe für Besucher zugänglich. Bis 30. Januar präsentieren 1.632 Aussteller aus 57 Ländern in den Messehallen unter dem Funkturm ihre Produkte und Dienstleistungen. Die Agrar- und Ernährungswirtschaft nutzt die Messe, um im direkten Kontakt mit den Verbrauchern ihre Waren vorzustellen. Ein Schwerpunktthema in diesem Jahr sind der Dioxinskandal und die damit verbundenen Fragen der Lebensmittelsicherheit. (dapd)

Den Naturkostladen haben wir seit sieben Jahren, vor fast zwei Jahren haben wir zusätzlich ein Biobistro eröffnet. Schon in dem ersten Geschäft hatten wir eine Küche, wo wir Suppen und Salate zubereitet haben, die unsere Kunden auch vor Ort verzehren konnten. Allerdings ist es mit der Zeit zu eng geworden, und so haben wir nach langen Bedenken beschlossen, gleich nebenan das Bistro zu eröffnen.

Warum hatten Sie Bedenken?

Die Ecke um die Pohlstraße herum ist ein wenig abseits und nicht mit den Szenekiezen zu vergleichen. Es ist eben nicht die Bergmannstraße, Oranienstraße oder die Akazienstraße. Aber der Laden läuft ganz gut.

Sie selber stammen ursprünglich aus der Türkei. Wer gehört zu ihrer Kundschaft?

Mittags im Bistro sind es meistens Künstler, Galeriebesucher oder die Geschäftsleute, die in der Gegend arbeiten - und das sind im Grunde auch unsere Hauptabnehmer für Lebensmittel. Vereinzelt kaufen hier auch Anwohner ein, aber für die meisten, und dazu gehören auch die türkischen Anwohner, ist der Bioladen zu teuer. Die Kaufkraft in dieser Straße ist einfach nicht vorhanden. Allerdings hat sich die Lage in den letzten zwei Wochen geändert. Seit dem Dioxinskandal kaufen auch vermehrt Leute hier ein, die sonst nicht zu meiner Kundschaft gehörten.

Bieten Sie auch Ethno-Bioprodukte an, zum Beispiel Ayran?

Ja. Die meisten frischen Produkte lassen wir uns hier aus der Gegend liefern, dazu gehört auch Ayran. Schafskäse etwa bekommen wir aus Griechenland. Alle Trockenprodukte hingegen wie Feigen, Haselnüsse, Aprikosen, Sultaninen, aber auch rote Linsen kommen aus der Türkei. Ich arbeite unter anderem mit der Naturkostfirma "Rapunzel" zusammen, die auch in der Türkei ökologischen Landbau betreibt. Erst vor kurzem haben wir uns vor Ort die Anbaugebiete und die Lebensmittelproduktion zeigen lassen. Das war sehr interessant. Aber meiner Beobachtung nach schaffen es nicht alle türkischen Bioprodukte nach Deutschland, weil die türkischen Biokontrollbedingungen nicht immer den EU-Richtlinien entsprechen. Hauptsächlich werden die Produkte der Firmen importiert, die mit deutschen Verbänden zusammenarbeiten, weil diese ihre Kontrollstellen vor Ort haben.

Sind Bioprodukte auch in der Türkei im Kommen?

Ich denke schon. In Istanbul gibt diverse Biomärkte, und ein paar Freunde von mir versuchen einen Großhandel für Bioprodukte aufzubauen, um frische Waren vertreiben zu können.

Denken Sie, dass man mit einer Erweiterung der Produktpalette türkischstämmige Käufer hier langfristig für den Biomarkt erschließen könnte?

Nein, ich denke, dass der Großteil weiterhin bei seinem konventionellem Einkaufsverhalten bleiben würde. Im Moment haben viele noch Angst vor dem Dioxin, aber das wird bald vergessen sein.

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