Iran in Anschlagspläne verwickelt: Terror im Auftrag Teherans

Das Urteil nach Anschlagsplänen gegen eine Synagoge hat ein Nachspiel. Kommen die Revolutionsgarden jetzt auf die Terrorliste?

Ein Zaun umgibt eine Synagoge

Ein Zaun umgibt die Synagoge der jüdischen Gemeinde in Bochum Foto: Funke Foto Services/imago

BERLIN taz | Ein Urteil am Oberlandesgericht Düsseldorf gegen einen Deutsch-Iraner wegen eines geplanten Anschlags auf eine Synagoge sorgt für diplomatische Unruhe. Die Richter hatten festgestellt, dass die Anschlagsplanung auf „eine staatliche iranische Stelle“ zurückgeht.

Das iranische Außenministerium nannte die Anschuldigung „unbegründet“. Der Iran bestellte am Mittwoch laut Staatsmedien den deutschen Botschafter ein. Das Auswärtige Amt hatte zuvor am Dienstag den iranischen Geschäftsträger in Berlin vorgeladen.

„Wir werden keine ausländisch gesteuerte Gewalt in Deutschland dulden“, erklärte das Auswärtige Amt am Dienstag auf dem Kurznachrichtendienst X. „Für Konsequenzen und nächste Schritte, auch auf EU-Ebene, ist jetzt die genaue Urteilsbegründung wichtig.“ Auf Nachfrage der taz führte das Auswärtige Amt nicht aus, welche Konsequenzen die Entscheidung genau umfassen könnte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Düsseldorfer Richter hatten einen 36-jährigen Deutsch-Iraner am Dienstag zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Im November 2022 hatte er einen Brandsatz auf eine Schule in Bochum geworfen, wobei die Synagoge daneben das eigentliche Ziel war.

Auftrag für Anschlag kam aus dem Iran

Der Auftrag für den Anschlag kam laut Gericht von einem Hintermann im Iran. Dabei handelt es sich um einen früheren Hells-Angels-Rocker, der wegen Mordes gesucht wird und sich in den Iran abgesetzt hatte. Die Tat sei geeignet gewesen, Angst und Verunsicherung der in Deutschland lebenden Juden zu erzeugen, erklärte das Gericht. Der Brandanschlag steht mit Schüssen auf das Rabbinerhaus in Essen in einem Zusammenhang.

Unter anderem die taz hatte berichtet, dass die Er­mitt­le­r*in­nen die islamischen Revolutionsgarden (IRGC) des Irans hinter den Anschlägen vermuten. Nach der Urteilsverkündung wurden deshalb Forderungen laut, die Gerichtsentscheidung nun als Grundlage für eine Aufnahme der Revolutionsgarde auf die EU-Terrorliste zu nutzen.

Der Antrag dazu müsse „unverzüglich gestellt werden“, forderte Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. „Die Bundesregierung muss jetzt in Brüssel die Initiative ergreifen. Der Iran ist ein terroristischer Staat und die Revolutionsgarden sind ein Tool, um diesen Terror in alle Welt zu tragen.“ Ähnlich äußerte sich der Oppositionspolitiker Norbert Röttgen (CDU).

Die Diskussion um eine Terrorlistung der Revolutionsgarden läuft seit Monaten. Offiziell setzt sich das Außenministerium weiterhin dafür ein. Hinter den Kulissen gibt es Vorbehalte: Der politische Preis für Deutschland, die Listung durchzusetzen, gilt bei einigen Diplomaten als zu hoch für einen Akt, der womöglich vor allem symbolische Auswirkungen habe. Denn unter den EU-Staaten besteht dafür keine Einigkeit.

Auswärtiges Amt versteckt sich hinter Rechtsgutachten

Anfang der Woche hatte die taz berichtet, dass sich das deutsche Außenministerium in der Frage hinter einem internen Rechtsgutachten des Juristischen Diensts des Europäischen Rates versteckt. Laut Auswärtigem Amt bestünden demnach die Voraussetzung für eine Listung gegenwärtig nicht. Dies geht daraus so allerdings gar nicht hervor, berichtete die taz, der das Papier vorliegt.

Laut Gutachten könnten als Grundlage für eine Listung auch Entscheidungen von Drittstaaten außerhalb der EU herangezogen werden, sofern dabei die Rechtsstaatlichkeit eingehalten wurde. Es widerspricht damit unter anderem Aussagen des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, wonach es angeblich eines nationalen Urteils innerhalb der EU bedürfe.

Weiterhin waren in dem Gutachten zwei Urteile zur Revolutionsgarde aus den USA bewertet worden. Der Fall läge zu lange zurück. Das Auswärtige Amt hatte im Dezember erklärt, dass in keinem der Mitgliedstaaten der EU einschlägige Beschlüsse vorlägen und dies erst der Anlass der juristischen Prüfung gewesen sei.

Eine nationale Entscheidung jedenfalls sehen Ak­ti­vis­t*in­nen und Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen nun mit dem Düsseldorfer Urteil gegeben.

Anschlag könnte als Tat für Terrorlistung reichen

Laut Lukas Märtin, Rechtswissenschaftler am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, müsse als Grundlage für eine Terrorlistung nicht unbedingt ein Gerichtsurteil vorliegen. Ermittlungseinleitungen seitens der Staatsanwaltschaft beispielsweise genügten unter gewissen Voraussetzungen. Eine Entscheidung müsse dabei auch nicht notwendigerweise eine Tat betreffen, die im nationalen Strafrecht als „terroristisch“ behandelt wird. „Die Voraussetzungen sind relativ vielfältig“, erklärte Märtin. Taten wie ein versuchter Brandanschlag auf eine Synagoge mit diesem Kontext fielen regelmäßig darunter.

Vom Europäischen Gerichtshof sei bisher allerdings noch nicht vollständig geklärt, ob ein Strafurteil gegen eine Einzelperson, die auf Weisung der Gruppe handelt, ausreicht, um die jeweilige Gruppe zu listen. „Aus rechtlicher Sicht spricht allerdings viel dafür“, so Märtin.

Spätestens in der schriftlichen Urteilsbegründung aber müsste spezifiziert werden, dass es sich bei der „staatlichen iranischen Stelle“, auf die die Anschlagsplanung zurückgeht, um die islamische Revolutionsgarde oder deren Quds-Einheit dreht. Laut Märtin müssten „nachgewiesene, zurechenbare Verbindung“ dargelegt werden.

Gericht nennt Verbindung zu IRGC nicht explizit

Auf Anfrage der taz erklärte Christina Klein Reesink, Pressesprecherin am Oberlandesgericht Düsseldorf: Nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden Richter könne sie mitteilen, „dass konkrete Erkenntnisse, welche Stellen im Iran hinter dem Auftrag standen, nicht gewonnen werden konnten.“ Entsprechend äußerte sich ein Sprecher des Generalbundesanwalts gegenüber der taz. Der Generalbundesanwalt hatte in diesem Fall die Ermittlungen übernommen.

Rechtswissenschaftler Märtin sagt: Strukturell gleiche das Urteil dem sogenannten Mykonos-Fall des Kammergerichts Berlin, in dem vier Individuen für den Mord an kurdischen Politikern verurteilt wurden. Bei dem Mordanschlag wurden im Auftrag des iranischen Geheimdienstes am 17. September 1992 vier kurdisch-iranische Exilpolitiker im Berliner Lokal „Mykonos“ erschossen. Ermittelt wurde damals trotz Widerständen aus der Bundespolitik, die gerade erst außenpolitisch einen sogenannten „kritischen Dialog“ mit dem Iran begonnen hatte, wofür das Urteil einen Rückschlag bedeutete.

Für Martina Renner, Innenpolitikerin der Linken, ist der Einfluss iranischer Einrichtungen und Gruppen auf militante Gruppen oder Einzeltäter bereits seit dem Mykonos-Attentat belegt und gerichtlich festgestellt. „Die Strafverfolgung leidet hier daran, dass die Ermittler eine Erlaubnis, eine Verfolgungsermächtigung brauchen“, so Renner. Dabei werde abgewogen, ob die Strafverfolgung der Bundesrepublik beispielsweise außenpolitische Nachteile bringen könne. Ganz vorne stünden dabei mutmaßlich wirtschaftliche Interessen.

„Ich kann aber nicht erkennen, welche außenpolitischen Vorteile im Verhältnis zum Iran durch die fehlende Strafverfolgung entstehen“, sagte Renner der taz. Aus ihrer Sicht finde beispielsweise die Freilassung dort inhaftierter Menschen, auch deutscher Staatsbürger, dadurch nicht statt.

Die Sorge um gefangene Deutsche, wie den zu Tode verurteilten Unternehmer Jamshid Sharmahd, fällt immer wieder als eines der Argumente, wenn es um die deutschen Beziehungen zum Iran geht. Ak­ti­vis­t*in­nen nennen das Vorgehen Irans auch „Geiseldiplomatie“.

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