Islamkritische Karikaturen: Die Hacker des Propheten

Nach dem Anschlag auf das Satireblatt "Charlie Hebdo" wurden deren Redakteure von der "Libération" aufgenommen. Jetzt hat sie selbst islamistische Feinde.

Die "Charia"-Sonderausgabe war der Grund für den Brandanschlag auf "Charlie Hebdo". Bild: dpa

PARIS taz | Seit dem Brandanschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo vor einer Woche genießt das Team der Pariser Satirezeitung bei den Kollegen von Libération "journalistisches Asylrecht". Darum kann heute die auf die "Charia"-Sonderausgabe folgende Nummer erscheinen. Darin drohte Gastchefredakteur "Mohammed" den Humorlosen, die die Witze über die in Tunesien und Libyen angekündigte Anwendung der islamischen Scharia nicht lustig finden, mit "hundert Peitschenhieben".

"Die Liebe ist stärker als der Hass" steht dieses Mal auf der Titelseite über der Karikatur eines Islamisten, der sich mit einem Charlie-Zeichner innigst küsst. Eine satirische Friedensofferte ist dies kaum. Auch für die Gegenseite, die Internetpiraten, die vor einer Woche wenige Stunden nach der Molotowcocktail-Attacke auf die Redaktion auch die Website von Charlie Hebdo geknackt und manipuliert hatten, ist der heilige Streit noch nicht zu Ende. Sie drohen nun auch Libération mit einer Cyberattacke.

Überraschend schnell wurde der Urheber dieses Angriffs identifiziert. "Black Apple", der seinen erfolgreichen "Einbruch" im Server von Charlie auf einem Forum angekündigt hatte, wurde von Le Journal du Dimanche in Istanbul ausfindig gemacht, wo er dem Türkeikorrespondenten der französischen Sonntagzeitung bereitwillig und stolz Auskunft über sein Vorgehen und seine Motivation gab.

Er nennt sich Ekber und sagt, er sei zwanzig Jahre alt und stamme aus Rize wie die Familie von Premierminister Recep Tayyip Erdogan, den er sehr bewundere. Ekber ist Student an der Universität Iik, wo er sich zum Informatikingenieur ausbilden lässt.

"Maßlose Respektlosigkeit gegenüber dem Propheten Mohammed"

Natürlich hatte er bis dahin noch nie von Charlie Hebdo gehört, aber als er in der türkischen Boulevardzeitung Akam die Schlagzeile "Maßlose Respektlosigkeit gegenüber dem Propheten Mohammed" las, beschloss er zu reagieren: "Dieser Publikation musste die Antwort erteilt werden, die sie für solche Dummheiten verdiente."

Er hat dazu die Begrüßungsseite von Charlie Hebdo ausgetauscht gegen die in türkischer und englischer Sprache verfasste Botschaft: "Unter dem Deckmantel der Pressefreiheit greift ihr mit euren gehässigen Karikaturen den großen Propheten des Islam an. Der Fluch Gottes soll euch treffen. Wir werden in der virtuellen Welt euer Fluch sein."

Unterzeichnet ist das von der Gruppe "Akincilar", deren Name sich auf Sturmreiter des Osmanischen Reichs bezieht. Diese Gruppe von angeblich neun türkischen Hackern, der Ekber angehört, soll bereits 6.000 Attacken verübt haben. Im Visier haben diese Hacker des Propheten nicht nur Gotteslästerer, sondern auch Pornografie. Aber auch mit Vorliebe israelische, armenische und kurdische Internetinhalte, die politisch nicht in ihr Weltbild passen.

Ekber distanziert sich von der Gewalt des Brandanschlags in Paris, der seiner Meinung nach nur die Aktion von Leuten sein könne, die sich der Religion als Vorwand bedienten. Da er im Gegensatz dazu eine friedliche Form von Protest gewählt hat, fühlt er sich aber bei seinem Hackerangriff offenbar völlig im Recht. "Wenn Libération fortfährt, solche Zeichnungen zu publizieren, werden wir uns auch mit dieser Zeitung beschäftigen", drohte er bei seinem Treffen mit dem Journal du Dimanche.

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