Israel-Kritik auf der Berlinale: Aktionen ohne Ambivalenzen

Die Protestrede eines Regisseurs auf der Berlinale zeigt: Manchen Kulturschaffenden fehlt der Sinn für die wichtigen Nuancen des Nahost-Konflikts.

Eine Hand eingewickelt mit einem Armband auf der palästinensischen Flagge

Propalästinensische Geste während eines Fotocalls bei der Berlinale Foto: Nadja Wohlleben/reuters

Die Berlinale wurde von propalästinensischen Aktivisten gekapert. Überraschend ist das nicht. Nachdem nun wirklich jedes Kulturspektakel der Hauptstadt als Trittbrett für Anti-Israel-Proteste herhalten muss, sollten sich die Debattierenden fragen: Was gibt es überhaupt noch zu diskutieren?

Denn wer diskutieren will, muss Ambivalenzen aushalten. Ambivalenzen sind Dokumentarfilme wie „No Other Land“. Dem werden Diskussionsveranstaltungen beiseite gestellt und es werden Preise verliehen. Kurzum: Er wird ausgehalten. Ambivalent ist auch, über Gaza zu sprechen, ohne von den Geiseln zu schweigen. Wer es dann noch für nötig hält, bei einer poshen Preisverleihung trotzig Kufija zu tragen und unter Beifall die immergleichen Phrasen zu dreschen, dem geht es nicht um Filmkunst, nicht mal die eigene, sondern um hohle Schlagzeilen und den Thrill, beim scheinbar politischsten aller Festivals einmal der Politischste zu sein.

Wer Israels Offensive fälschlicherweise als Genozid bezeichnet, wer sich Kulturveranstaltungen wünscht, die nach starrer Agenda laufen, der hält keine Ambivalenzen aus – dem sind Diskussionen egal. Beides gehört aber zu einem modernen Kulturverständnis dazu. Wer das nicht teilt, sollte auch kein Podium bekommen.

Politische Amtsträger müssen nicht diskutieren, wie es die Kunst und Kultur muss. Sie müssen Entscheidungen treffen. Verantwortung an zukünftige Berlinale-Leitungen oder andere politische Ebenen abzugeben, ist ein Eiertanz: Der skandalöse Überschuss wird sich schon im bürokratischen Labyrinth verlaufen, schließlich fordert man inbrünstig: „Aufarbeitung“. Wie viel die bringt, zeigt nicht zuletzt das Beispiel documenta – und die immergleiche Diskussion.

Wenn jetzt die einzig ableitbare Forderung ist, Israel-Hassern imperativ zu verordnen, noch mal an die Geiseln und die Hamas zu erinnern, zeigt das, wo wir in der Debatte stehen: am Ende. Für einen Ausweg aus der Sackgasse bräuchte es politische Entschlossenheit und eine Kultur, die weiß, was Ambivalenzen sind – und was nicht.

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