Japanischer Animationsfilm „Inu-oh“: Das Geheimnis der Kürbismaske

„Inu-oh“ zeigt die Anfänge des japanischen Nō-Theaters als Rockmusical. Er überzeugt mit gedämpften Farben und dynamischen Bildern.

Eine Gestalt mit einer Kürbismaske mit zwei Löchern vor dem Gesicht wird von roten fliegenden Figuren umtanzt.

Der titelgebende Inu-oh versteckt sein enstelltes Gesicht hinter einer Maske Foto: Rapid Eye Movies

Japan im 14. Jahrhundert. Als Kind wurde Tomona durch ein mystisches Schwert verletzt, als er mit seinem Vater das Meer nach Relikten aus der Zeit des Genpei-Krieges, einer Auseinandersetzung zwischen den Clans der Heike und der Genji, abgesucht hat. Sein Vater ist bei dem Tauchgang umgekommen, Tomona ist fast vollständig erblindet, sieht nur noch Schemen.

„Inu-oh“: Regie: Masaaki Yuasa. Japan/China, 98 Min.

Jahre später macht er sich als Heranwachsender auf die Suche nach Dörfern der Heike und durchstreift das Land. Sein Vater sucht ihn wiederholt als Geist heim und fordert ihn auf, Rache zu nehmen. Auf einem seiner Wege trifft er auf eine Gruppe Mönche am Strand. Einer der Mönche nimmt ihn mit in die Hauptstadt. Dort trifft er auf den entstellten Inu-oh, der sein Gesicht mit einer Kürbismaske verdeckt, einer der Arme Inu-ohs ist mehrere Meter lang. Der japanische Animationsfilmer Maasaki Yuasa führt in „Inu-oh“ zwei Außenseiter in einer bewegten Zeit zusammen.

Yuasas Film spielt zu einer Zeit, als Japan in zwei rivalisierende Herrschaftsgebiete geteilt ist. Tomona ist in Dan-no-ura südlich der japanischen Hauptinsel Honshū aufgewachsen, Schauplatz einer entscheidenden Seeschlacht des Genpei-Krieges. Seit dem Ende des Krieges versuchen die rivalisierenden Herrscher, die Regalien des Reiches an sich zu bringen, um ihren jeweiligen Herrschaftsanspruch zu untermauern. Das mystische Schwert, das Ziel des Tauchgangs war, der Tomona sein Augenlicht und seinen Vater das Leben gekostet hat, ist eines dieser Regalien.

Der Krieg ist in der Welt des Films noch gegenwärtig. Kurz nach ihrer Begegnung in der Hauptstadt treffen Tomona und Inu-oh erneut aufeinander. Inu-oh berichtet Tomona vom Beginn seiner Entstellung. Die beiden vermuten einen Fluch. Mit einem Mal ist die Luft um sie herum erfüllt von den rastlosen Geistern der Heike-Krieger.

Moderner Rock und HipHop

Die Szene wird zum Wendepunkt des Films: Blieb die Musik bisher klassischen japanischen Traditionen verbunden, wandelt sich diese nun zu modernem Rock und HipHop. Kurz darauf beginnen Tomora und Inu-oh die Geschichte des Genpei-Krieges auf den Straßen der Hauptstadt mit Musik und Schauspiel anders zu erzählen, als es die höfische Konvention bisher getan hat.

Die Suche Tomoras und Inu-ohs nach der Ursache für ihre Verletzungen führt sie zurück in Inu-ohs Kindheit und in die Geschichte des Genpei-Krieges. Mit ihrer Künstlerfreundschaft öffnen die beiden Außenseiter den Raum der Erzählung, um über die Spaltungen des Kriegs und den Umgang mit den Unterlegenen Heike zu sprechen.

Maasaki Yuasa setzt in „Inu-oh“ auf eine expressive Animation mit gedämpften Farben. Die eher flächig gehaltenen Körper der Menschen setzen sich von der Umwelt mit ihren detaillierten Strukturen ab. Die ganze Schönheit der Animation entfaltet sich vor allem in jenen Bildern, in denen das Farbspektrum sich noch weiter verengt, bis nur noch gedämpfte Grün-Blau-Grau-Töne übrig sind. Zu Beginn sind das einige grisailleartige Bilder unter Wasser, später sind es jene Szenen, die Tomonas schemenhaftes, unscharfes Sehen zeigen.

Yuasas Animation ist ausgesprochen belebt. Stark bewegte Animationssequenzen wechseln sich mit ruhigeren Momenten ab und rhythmisieren den Film. Doch „Inu-oh“ nutzt auch die Möglichkeiten der virtuellen Kamera der Animation ausgiebig. Statt der klassischen Kombination aus horizontalen und vertikalen Bewegungen ergänzt um Zooms ist Yuasas virtuelle Kamera so frei beweglich wie eine tragbare Steadicam.

Ein neuer Höhepunkt

Masaaki Yuasa studierte in Fukuoka Malerei und professionalisierte sich später über Jahre als Animator für Fernsehserien, bevor sich ihm die Möglichkeit bot, eigene Filme und Serien zu realisieren. Von Ende der 1980er Jahre bis 2013 arbeitete er als freier Animationsfilmer mit verschiedenen japanischen Fernsehsendern und Animationsstudios. Er arbeitete an Isao Takahatas „Meine Nachbarn die Yamadas“ (1999) mit. Einige Jahre später bot sich ihm bei Studio 4°C mit „Mind Game“ (2004) die Möglichkeit, das erste Mal bei einem animierten Langfilm Regie zu führen. Der Film sollte der Beginn von Yuasas Durchbruch werden.

In den folgenden Jahren realisierte Yuasa Animationsserien für Studio 4°C und die Produktionsfirma Madhouse. 2013 gründete er zusammen mit Eunyoung Choi das Studio Science Saru. Ab 2018 realisierte ­Yuasa den animierten Surfer-Film „Ride Your Wave“, der 2019 auf dem internationalen Animationsfilmfestival in Annecy Premiere feierte.

Im gleichen Jahr begann er für das Studio die Serie „Japan sinkt 2020“ zu entwickeln, die im Sommer des Jahres auf Netflix veröffentlicht wurde. „Inu-oh“ feierte letzten Herbst auf dem Filmfestival in Venedig seine Premiere.

Der Film ist ein neuer Höhepunkt im Werk von Masaaki Yuasa. Scheinbar mühelos verwebt er die Erzählstränge, strukturiert durch die Gestaltung, lässt poetische Momente aufblitzen.

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