Jedes Dritte Kind kommt per Kaiserschnitt: Lieber selbstbestimmt gebären

Der Anteil der Kinder, die per Kaiserschnitt geboren werden, steigt. Die Gründe sind kaum erforscht, doch eine bislang unveröffentlichte Studie hat Anhaltspunkte gefunden.

Immer mehr Neugeborene kommen per Kaiserschnitt zur Welt. Bild: dpa

BREMEN taz | Die Rate der Kaiserschnitte hat erneut zugenommen. 31,9 Prozent aller Geburten endeten laut Statistischem Bundesamt 2010 auf dem Operationstisch – 0,6 Prozentpunkte mehr als 2009. Den höchsten Anteil hatte wieder das Saarland mit 36,6 Prozent, den niedrigsten Sachsen mit 22,9 Prozent.

Keine Schlüsse lassen sich aus der Statistik über die Ursachen für die steigende Rate ziehen, da die Krankenhäuser keine Daten darüber liefern, aus welchen Gründen ein Kaiserschnitt gemacht wurde. In den vergangenen Jahren wiesen vor allem Ärzte darauf hin, dass mehr Frauen danach verlangen würden. Als Vorbild, so die verbreitete Annahme, dienten Prominente, die sich zwischen zwei Auftritten den Termin für die Operation legen, am besten ein paar Wochen vor Geburtstermin, damit sich der Bauch nicht so weit dehnt und die Haut straff bleibt.

Tatsächlich aber sind es vor allem Ängste, wegen denen sich Schwangere zu einem Kaiserschnitt entscheiden, hat die Bielefelder Gesundheitswissenschaftlerin Barbara Baumgärtner herausgefunden. Von ihr stammt die einzige, wenn auch noch unveröffentlichte Forschungsarbeit zum Thema. In 18 Interviews hat sie Erstgebärende während der Schwangerschaft befragt, warum sie keine vaginale Geburt wollen.

Zeitmanagement spielte dabei ebenso wenig eine Rolle wie die Sorge, bei der Geburt eine Dammverletzung zu erleiden oder eine unwillkommene Weitung der Scheide. Die Frauen hätten außerdem genau gewusst, was auf sie und das Kind zukommt – häufig würde ihnen aber das Gegenteil unterstellt. „Denen war klar, dass das Nachteile für sie und das Kind birgt.“

Sorge über fremdbestimmte Geburt

Ausschlaggebend sei vielmehr die Vorstellung von einer fremdbestimmten Geburt gewesen, von „einer unbefriedigenden Interaktion mit dem Personal“, wie es die Wissenschaftlerin beschreibt. „Es ging immer um die Sorge davor, dass über ihren Kopf hinweg Entscheidungen getroffen würden, dass sie als Person mit Bedürfnissen nicht wahrgenommen und auf ihren Intimbereich reduziert würden.“

Diese Ängste seien sehr berechtigt, findet Baumgärtner, die selbst als Hebamme gearbeitet hat. „Diese suggerierte Selbstbestimmung gibt es im Krankenhaus nicht. Sie dürfen entscheiden, ob sie in die Gebärwanne wollen oder lieber in den gelben oder roten Kreißsaal, aber sie werden nicht gefragt, was sie von einem Dammschnitt halten oder ob Sie ein CTG möchten.“

Interessant sei, dass die meisten gesagt hätten, sie könnten sich eine vaginale Geburt vorstellen, wenn sie die Hebamme kennen würden. Baumgärtner plädiert dafür, die Schwangerenvorsorge und die Geburtshilfe ganz in Hebammenhand zu legen. In Holland und Skandinavien, wo dies der Fall ist, ist die Kaiserschnittrate nur halb so hoch wie in Deutschland.

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