Jugendämter gegen sexualisierte Gewalt: Vertrauen der Kinder fehlt

Laut einer Studie zu Jugendämtern gibt es beim Umgang mit sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige Defizite. Kinder müssten ernst genommen werden.

Eine leere Kinderschaukel

Jugendämter stehen in der Pflicht, Zeichen sexualisierter Gewallt gegen Kinder wahrzunehmen Foto: mhphoto/imago

BERLIN taz | Hätten Mitarbeiter_innen des Jugendamts Signale besser erkannt, hätte sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen verhindert werden können. Zu diesem Ergebnis kommt die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, die am Mittwoch Ergebnisse einer Studie vorgestellt hat.

„Uns liegen einerseits Schilderungen von guter Fachpraxis und positiven Hilfeverläufen vor“, sagte die Soziologin Barbara Kavemann, die Teil der Kommission ist. Jedoch gebe es auch „klare Defizite“. Es mangele an einem einheitlichen Verfahren bei der Erarbeitung von einzelfallbezogenen Schutzkonzepten. Oft werde die Perspektive der Kinder und Jugendlichen nicht einbezogen. Dieses Vorgehen sollte laut der Kommission gesetzlich verankert werden.

Die Kommission kritisierte außerdem, dass es Mitarbeiter_innen von Jugendämtern in manchen Fällen nicht gelinge, Vertrauen zu den Betroffenen aufzubauen. Das liege einerseits am schlechten Ruf der Jugendämter unter Kindern und Jugendlichen, andererseits auch an Täter_innen, die mit Drohungen wie der Abgabe ins Heim Kinder zum Schweigen brächten.

Thomas Meysen, Co-Autor der Studie und Jurist, betonte am Mittwoch die Rolle der Familiengerichte. In Deutschland sei es üblich, dass beide Elternteile nach einer Trennung Kontakt zu ihren Kindern halten dürfen. Elternteilen, die Gewalt des Partners an den Kindern thematisieren, werde oft unterstellt, dem Ex-Partner das Kind entziehen zu wollen und die Gewalt deshalb zu erfinden.

Kinder ernst nehmen, Fortbildungen für Mitarbeiter_innen

Die Kommission gab Empfehlungen für die Jugendämter ab. Beim ersten Kontakt sei es wichtig, die Kinder ernst zu nehmen, denn Kinder und Jugendliche äußerten sich in der Regel nicht über sexualisierte Gewalt. Zweitens sei es nötig, das Angebot der Jugendämter zu den Kindern und Jugendlichen zu bringen – beispielsweise durch einen starken Auftritt in sozialen Medien. Und drittens müssten Mitarbeiter_innen der Jugendämter mehr Fortbildungen zum Thema Kinderschutz erhalten.

In der Regel stammen Täter_innen von sexualisierter Gewalt aus dem Umfeld der Kinder. 47 Prozent seien laut Studie leibliche sowie Stief- und Pflegeväter gewesen. Zudem seien in der Hälfte der Fälle mehr als ein_e Täter_in beteiligt; die sexualisierte Gewalt beginne oft vor dem dritten Lebensjahr, mehrheitlich vor dem zehnten Lebensjahr. Für die Studie wurden 69 Betroffene, ihre Angehörigen sowie Expert_innen aus der Praxis befragt. Zudem wurden schriftliche Berichte und acht Jugendamtsakten ausgewertet.

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