Jugendproteste in Tunesien: Zwitschern gegen Zinochet

Die tunesische Opposition informiert und vernetzt sich dank Twitter, Blogs und Videoportalen. Das Regime kommt dagegen nicht an. Vier Blogger wurden verhaftet.

Protestportal: Die Internetseite nawaat.org. Bild: screenshot nawaat.org

MADRID taz | Die Jugendrevolte läuft in Echtzeit auf Twitter. Die Presse wird zu den Unruheherden nicht durchgelassen und wer wissen will, was in Tunesien geschieht, ist auf das Internet angewiesen. Der wichtigste Twitter-Berichterstatter – zumindest auf französisch – nennt sich tunisielibre. Sein Avatar ist eine Fahne des Landes, die völlig blutverschmiert ist.

Lange bevor die internationalen Presseagenturen von toten Demonstranten aus den Städten im Zentrum Tunesiens berichteten, brachte tunisielibre erste Zahlen. "Massaker" lautete der Tweet. Später sollten sich die traurigen Nachrichten nach und nach exakt so bestätigen. Wer hinter dem Twitterkonto steckt weiß keiner. Nur, das die Person nicht im Lande ist, soweit lassen die Tweets durchblicken.

Auch //twitter.com/#!/nawaat:nawaat twittert ununterbrochen. Die Webseite der tunesischen Opposition hat sich auf Videos von überall im Lande spezialisiert. Egal wo es zu Demonstrationen gegen "Zinochet" kommt, wie die Jugendlichen den seit 23 Jahren regierenden Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali nennen, nutzen Online-Reporter ihre Handys zum filmen und stellen die Schnipsel dann online. Schüsse sind zu hören, Steinewerfer zu sehen. Und es gibt Szenen, die überraschen. So stellte sich in Sidi Bouzid die Armee zwischen die Demonstranten und die Polizei.

Die Videos werden auf allen möglichen Plattformen veröffentlicht. Seit Youtube begonnen hat, das Geschehen zu zensieren, wird Vimeo immer mehr genutzt. Videos aus Krankenhäusern auf denen zu sehen ist, wie Jugendliche mit schweren Schussverletzungen eingeliefert werden, waren für Youtube zu brutal.

Trotz allem haben die Tunesier ihren Sinn für Humor nicht verloren. Der Link zu den Guignols – den mit Puppen nachgespielten Nachrichten - beim französischen TV-Sender Canal+ machten am Dienstag Abend die Runde. "Ben Ali Baba im Fernsehen", hieß der Tweet. Der tunesische Präsident Zine El Abidine Ben Ali wurde dort als "Idol der Jugend" vorgestellt und erklärt, wie er 300.000 Jugendliche Arbeitslose von der Straße bringen. Er habe 300.000 Särge anfertigen lassen.

Obwohl das Regime immer wieder Twitter-Accounts hackt und sperrt, ist die Flut nicht einzudämmen. Es sind Tausende von Einträgen, die sich querverlinken. Da werden Demotreffpunkte bekanntgegeben, Meinungen und Gerüchte ausgetauscht, Aufrufe zum Blutspenden in völlig überfüllten Krankenhäusern gepostet oder einfach nur die internationale Gemeinschaft um Hilfe gebten oder Hoffnung gemacht: "Der Countdown für die Nach-Ben Ali Ära läuft", hieß es am Dienstag Abend bei nawaat.

Tunesiens Opposition nutzt seit Jahren das Netz. Das Internetradio Kalima hat überall Freiwillige, die Beiträge und Nachrichten liefern. Sie erscheinen dann auf arabisch und mit einiger Zeitverzögerung auch auf französisch und englisch. Zudem gibt es eine junge tunesische Bloggerszene. Slim Amamou und Azyz Amamy haben es dabei zu einem regelrechten Starstatus gebracht.

Mindestens vier Blogger wurden in den letzten Tagen verhaftet. Darunter auch Amamy und Amamou. "Ich erhöhe meine Gefahrenstufe auf orange. Die Flics suchen mich offenbar", //twitter.com/#!/slim404:tweetete Amamou am 6. Januar. Kurz darauf verschwand er. Die Anwendung Foursquare, die Freunden via Handy den Aufenthaltsort übermittelt, verriet was geschehen war: Slim tauchte plötzlich auf dem Stadtplan von Tunis auf – im Innenministerium in der Avenue Habib Bourguiba im Zentrum der tunesischen Hauptstadt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.