Julian Assange beim CCC-Kongress: Wenn Hacker Hacker hacken

Mit Spannung wurde die Rede von Julian Assange und Jacob Appelbaum auf dem 30. CCC-Kongress erwartet. Richtig gut lief es aber nicht.

Immer wenn's interessant wurde brach der Stream ab: Julian Assange spricht beim 30C3. Bild: dpa

HAMBURG taz | „Wir haben einen Überraschungsgast. Einige von euch kennen sie vielleicht, sie hat Edward Snowdens Leben gerettet“, sagt Jacob Appelbaum, als Sarah Harrison gestern Abend die Bühne betritt und mit Standing Ovations empfangen wird. Der Saal ist voll bis auf den letzten Platz, schon zwanzig Minuten vor dem Start des Vortrags wurde keiner mehr hineingelassen.

Sarah Harrison hat eine Rede vorbereitet, sie liest vor. Es geht um die Vorwürfe gegen sie. Die Journalistin hat Edward Snowden bei der Flucht geholfen. Sie lebt zurzeit in Deutschland, weil das Vereinigte Königreich die Offenlegung von geheimen Papieren als Terrorismus einstuft und sie somit als Terroristin verfolgt. Auch andere Wikileaks-Beteiligte seien betroffen. Das FBI hätte in einer geheimen und nicht rechtmäßigen Mission neun Agenten zur Investigation nach Island geschickt und Informanten verhört.

Harrison erzählt von einem Fonds für Whistleblower: „Wir haben Edward Snowden nicht nur Asyl gesucht, sondern ihm auch einen Verteidigungsfonds eingerichtet.“ Auch für zukünftige Quellen, die in Schwierigkeiten geraten, solle so Geld gesammelt werden. Harrison spricht über Chelsea Manning, die zu 35 Jahren Haft verurteilt wurde und Wikileaks-Informant Jeremy Hammond, der zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Sie seien die besten Beispiele für eine politisierte Generation, die mit einem freien Internet aufgewachsen ist und es behalten möchte. „Diese Klasse von Menschen, die Macht die sie und wir haben können und was wir damit Gutes tun können, das wollen wir heute besprechen.“

Harrison wird von Julian Assanges Bild auf der Leinwand und einsetzendem Applaus unterbrochen. Von seinem Sitz erhebt sich niemand. Er spricht kurz über das Wachstum des Chaos Computer Club, aber dann friert das Bild ein und der Ton ist weg. Harrison und Appelbaum scherzen ein wenig über die NSA, während man versucht das Problem zu beheben.

Technikprobleme auf dem Hackerkongress

Appelbaum ergreift die Gelegenheit und fängt an den Titel des Vortrags „Systemadministratoren der Welt, vereinigt euch“ zu erklären: „Der erste wichtige Punkt ist, dass wir alle Handlungsmacht besitzen. Aber einige von uns haben mehr als andere. Sie haben durch ihre Arbeit Zugriff auf Systeme, die ihnen wiederum Zugriff auf Informationen ermöglichen. Nur durch interne Papiere lernt man wie Organisationen wirklich denken. Die offiziellen Statements von Unternehmen sind uninteressant, man weiß, dass eine Agenda dahintersteckt.“

Er fragt wer von den Anwesenden Systemadministrator ist und einige heben die Hand. „Wenn ihr denkt, dass die Firmen, in denen ihr arbeitet etwas Schlechtes tun, habt ihr vielleicht die Informationen, die jeder andere in diesem Raum braucht. Als eine politische Klasse, könntet ihr die anderen politischen Klassen in diesem Raum informieren.“ Appelbaum vergleicht die Möglichkeiten der Systemadministratoren mit der Industriellen Revolution. Es gäbe Ähnlichkeiten zu damals, wenn es um Informationspolitik und den heutigen Wert von Informationen geht.

Plötzlich taucht Assanges Bild im Hintergrund auf und ist gleich wieder weg. Appelbaum lacht. „Jesus Christ, Julian. Use Jitsi already“, ruft er.

Die Verbindung steht wieder und Julian Assange startet einen neuen Versuch. „Ich weiß nicht, was du schon gesagt hast, aber ich denke es ist wichtig zu erkennen, was wir waren und was wir geworden sind. Menschen die mit Internettechnologie arbeiten sind eine eigene Klasse“, sagt er undeutlich, bevor der Ton ganz abbricht und das Bild wieder einfriert. Es ist ironisch, dass es auf einem Hackerkongress derart technische Schwierigkeiten gibt. Es ist so ironisch, dass sich im Publikum schon der Verdacht breitmacht, es wäre kein Zufall.

Die CIA infiltrieren

Dann ist er wieder da. „Wir sind eine Klasse und es wird Zeit, dass wir das anerkennen. Systemadministratoren sind nicht nur Leute, die für ein einzelnes kleines System zuständig sind. Die kleinen Systeme sind Teile eines großen globalen Systems. Viele von uns haben Anteil an der Administration dieses Systems und haben enorme Macht“, erklärt Assange seine Sicht der Dinge. Einzelne könnten konstruktiven Auflagen einsetzen, um Informationen aus dem System umzuverteilen. Das diene nicht nur als disziplinierende Maßnahme, sondern helfe auch die Welt, in die wir gerade treten, zu konstruieren und zu verstehen.

Assange erklärt, dass Ex-NSA-Chef Michael Hayden gesagt hätte, sie müssten die Leute aus Snowdens Generation rekrutieren. Er liest ein Zitat von Hayden: „Die Herausforderung ist, diese Leute zu rekrutieren und uns gleichzeitig von dem kleinen Teil der Menschen zu schützen, die diese romantische Vorstellung von absoluter Transparenz um jeden Preis haben.“ Assange appelliert an das Publikum, diese Nachricht zu verbreiten. Die Organisationen oder auch die CIA müssten von dieser Generation und ihrer Ideologie infiltriert werden.

Assanges Rede klingt als wäre er auf der Suche nach einer Armee, die bereit ist, ihr gewohntes Leben zu opfern. Er möchte die Anwesenden motivieren, mit ihm in den Krieg zu ziehen. „Das ist die letzte freie Generation. Das Zusammenkommen der Regierungssysteme, die neue Informationsapartheid wächst auf der ganzen Welt – keiner von uns kann entkommen“, sagt er und beendet seinen Rekrutierungsversuch.

Während schon nach Fragen aus dem zögernden Publikum gesucht wird, unterbricht Assange den Moderator noch einmal um die Anwesenden zu warnen: „Es sind viele Leute hier – ihr solltet wissen, dass ihr durch die verschiedenen Arten von Ortungsprogrammen, die jetzt von der GCHQ und der Five Eyes Allianz eingesetzt werden, unwiderruflich mit uns, diesem Event und dieser Rede verbunden seid. Das gilt für alle, die in diesen Tagen mit einem Telefon bei dem Event oder nur in Hamburg waren.“

Der Grund des Erfolgs...

Im Publikum wird die Frage gestellt, was Leute, die keine Systemadministratoren sind, tun könnten, als Julian Assange wieder von der Leinwand verschwindet. Jacob Appelbaum springt ein: „Snowden hat sich nicht selbst gerettet. Sarah Harrison ist kein Sysadmin, hat aber geholfen ihn zu beschützen.“

Julian Assange taucht im Hintergrund wieder auf und eine weitere Frage wird verlesen. Assange soll erklären, was der schwierigste Teil der Flucht von Snowden aus den USA war. Er sagt, das sei eine sehr umfassende Frage und die rechtliche Lage sei schwierig, fängt dann aber an zu erklären: „Wie einige von euch wahrscheinlich wissen, hat die Regierung des Vereinigten Königreich sechs Millionen Pfund pro Jahr investiert, um diese Botschaft zu überwachen. Ihr könnt euch also vorstellen, dass es schwierig war zu kommunizieren. Der einzige Grund, warum wir Erfolg hatten, ist...“

Ein Raunen geht durch den Saal, das Gespräch ist schon wieder abgebrochen. Die geplante halbe Stunde Vortragsdauer ist ebenfalls um, also ist die Veranstaltung, von der so viel erwartet wurde zwar vorbei aber unabgeschlossen. Applaudiert wird trotzdem. Das CCC-Network Operation Center gab per Twitter bekannt, dass sie während der Rede manipuliert wurden. Auch der offizielle Wikileaks Twitteraccount sprach nach dem Vortrag von Sabotage.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.