Justiz: Nach dem Knall

Im „Kugelbomben“-Prozess wird der geständige Hauptangeklagte zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Versuchter Mord sei die Tat nicht gewesen, so das Gericht.

Feuerwerkskörper richtig verwendet. Bild: DPA

Um „lautstarken Protest“ sei es ihm gegangen, als er 2010 bei einer Demonstration einen in Deutschland nicht zugelassenen Feuerwerkskörper detonieren ließ, sagte der Hauptangeklagte Johannes E. Dass dadurch Menschen verletzt werden könnten, habe „außerhalb seiner Vorstellung“ gelegen. Doch genau das war damals passiert: Zwei Polizisten erlitten Beinverletzungen, ein Dutzend weitere Beamten zogen sich leichte Verletzungen zu. Die Druckwelle der Detonation spürten auch DemonstrantInnen, die weiter weg von der Explosion standen.

Zu zwei Jahren Haft wurde E. am Montag vor dem Landgericht Berlin verurteilt, allerdings wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Da E. die gesamte Verantwortung für die Tat übernommen hatte, wurden die anderen beiden Angeklagten freigesprochen. E. hatte eingeräumt, bei einer linken Großdemonstration gegen die Krisen- und Sparpolitik der Bundesregierung im Juni 2010 einen chinesischen Feuerwerkskörper der Marke „White Lotus“ gezündet und geworfen zu haben.

Das Strafmaß hätte weit höher ausfallen könne, wäre das Gericht der ursprünglichen Anklage der Staatsanwaltschaft gefolgt, die E. versuchten Mord vorgeworfen hatte. Dieses Urteil sei aber nicht in Frage gekommen, sagte der Richter Ralph Ehestädt in seiner Urteilsbegründung, so sei deutlich geworden, dass der Angeklagte nicht vorsätzlich Menschen verletzt habe. Dennoch habe es sich bei der Tat um „keine Kleinigkeit“ gehandelt. Die beiden verletzten Polizeibeamten, die bei dem Prozess sowohl als Zeugen, als auch als Nebenkläger auftraten, seien neben den körperlichen Verletzungen auch psychisch stark belastet worden. Die Beamten hatten im Prozess berichtet, auch vier Jahre nach der Tat noch Probleme beim Besuch von Massenveranstaltungen zu haben.

Strafmildernd für E. wirkte sich nicht nur sein Geständnis aus. Auch hatte der Angeklagte sich für seine Tat entschuldigt und versichert, in den letzten vier Jahren „reifer“ geworden zu sein und einen solchen „Fehler“ heute nicht mehr zu machen. Des Weiteren war E. zum Tatzeitpunkt nicht vorbestraft und ist auch seit der Tat nicht wieder straffällig geworden. „Sie haben sich bereits bewährt“, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung zu E., der seit der Tat eine Ausbildung abgeschlossen hat und im Hotelgewerbe arbeitet. Es spreche daher nichts dagegen, die Haftstrafe zur Bewährung auszusetzen. Der Anwalt der Nebenkläger äußerte mit Blick auf die Aussetzung zur Bewährung indes „großes Unverständnis“.

Die Anklage wegen versuchten Mordes sei politisch motiviert gewesen, sagte hingegen einer der Verteidiger. „Mit diesem Versuch, Menschen davon abzuschrecken, ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen, ist die Staatsanwaltschaft glücklicherweise gescheitert“, kommentierte Sven Lindemann. Richter Ehestädt wies den Verdacht eines politisch motivierten Prozesses zurück. Es sei „schlicht darum gegangen, dass hier Menschen verletzt wurden“.

Neben der Bewährungsstrafe muss E. insgesamt 3.500 Euro an die beiden Nebenkläger zahlen, zusätzlich zu den Kosten des Verfahrens werden ihm voraussichtlich außerdem die Kosten für den Krankenhausaufenthalt der Beamten sowie für deren Dienstausfall in Rechnung gestellt. Die Eröffnung des Prozesses hatte sich immer wieder verzögert, auch das hatte Konsequenzen für das Urteil: Wegen der „erheblichen Verfahrensverzögerungen durch den Staat“ erklärte das Gericht drei Monate der Haftstrafe für bereits abgesessen. Grund für die Verzögerungen war offenbar der Personalmangel im Gericht: Da Haftsachen vorrangig behandelt werden müssen, gebe es für andere Verfahren viel zu wenig Kapazitäten, so Richter Ehestädt.

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