Kampf um Rohstoffe in Libyen: Ölstaat exportiert wieder

Nach der Eroberung von Ölverladehäfen wird der Export wieder aufgenommen. Dabei machen auch die Stämme ihren Einfluss geltend.

Ein Feuerwehrauto fährt eine Straße in Libyen entlang

Ras Lanuf zu Jahresbeginn: brennende Öltanks Foto: reuters

TUNIS taz | Zum ersten Mal seit fast drei Jahren ist am Mittwoch im libyschen Ölterminal Ras Lanuf ein beladener Tanker in See gestochen. Wie die Hafenverwaltung weiter mitteilte, wird ein zweiter in Kürze folgen. Vorausgegangen war die Besetzung von vier Verladehäfen südwestlich von Bengasi, darunter Ras Lanuf und Sidra, durch die Armee von General Chalifa Hafter am vorletzten Wochenende.

Die sogenannten Ölwächter des ehemaligen Milizenchefs Ibrahim Dschadran verschwanden binnen Stunden aus den Terminals, trotz ihrer Stärke von offiziell 21.800 Mann. So viele Namen hatte Dschadran zumindest der Einheitsregierung von unter Fajes Serradsch nach Tripolis gefaxt. Er forderte die Bezahlung seiner Dienste, mit der in Libyen zurzeit üblichen Methode, der Blockade der Ölanlagen.

Dass Öl aus Sidra und Ras Lanuf zuletzt nicht über die offiziellen Wege verladen wurde, spürten die Bürger im ganzen Land. Der Staatshaushalt wird fast nur aus dem Verkauf des Rohöls gespeist. Leere Banktresore führten zu langen Schlangen, nur 200 Dinar (40 Euro) kann man derzeit in Tripolis monatlich abheben.

„Dass eine selbsternannte Miliz wie die von Dschadran die Hauptgeldquelle Libyens bewacht und gleichzeitig die Regierung erpresst, sagt alles über die Lage im Land aus“, kommentiert der Journalist Ala Drissi aus Bengasi.

Der Stamm lehnt das Angebot ab

Wie wichtig Ras Lanuf und Warlord Dschadran sind, erfuhr auch der in der Provinz Cyreneika im Osten des Landes ungeliebte UN-Sondergesandte Martin Kobler. Vor dem Handstreich Hafters versuchte Kobler mit einem Überraschungsbesuch in Dschadrans Hauptquartier bei Adschdabija, seinen Clan davon zu überzeugen, die Pipelines wieder freizugeben, damit Geld in die Regierungskasse fließt. Dabei half auch ein mehrere Millionen schwerer Scheck, den Premier Serradsch an Dschadran schickte, wie aus Regierungskreisen verlautete. Doch der Margharba-Stamm, dem die Dschadrans angehören, lehnte das Angebot ab.

Inzwischen ziehen viele Libyer jede Form von Ordnung dem Chaos vor

Die Familien- und Stammesstrukturen in der Cyreneika ließen Kobler ihre Macht spüren, indem sie Dschadran fallen ließen. Hafters Armee konnte fast unblutig in die Ölhäfen einmarschieren, weil die Ölwächter auf Wunsch der Stammesältesten desertierten.

Auch wenn mit Hafter ein immer strengeres Militärregime in Bengasi nach ägyptischem Modell Einzug hält, ziehen viele Libyer nach fünf Jahren Milizenwillkür jede Form von Ordnung dem Chaos vor. „Die Islamisten, das Militär und die Milizen haben die zunächst erfolgreiche Übergangsphase zur Demokratie zerstört. Jetzt zählt für die Bürger nur noch die persönliche Sicherheit“, so Drissi.

Militärparade zur Abschreckung

Nachdem die Nationale Ölagentur NOC die Übernahme von Ras Lanuf durch Hafter begrüßte, stiegen der Wert des Dinar und die Hoffnung, die Milizen doch noch loszuwerden. Deren Kommandeure befahlen zur Abschreckung eine Militärparade in Tripolis.

Immer wieder donnern MIG-Kampfflugzeuge im Tiefflug über Ras Lanuf mit seinen 30.000 Einwohnern. Dschadran kämpfte sich unterdessen mit den „Verteidigern Bengasis“, einer aus Islamisten zusammengesetzten Anti-Hafter-Truppe, wieder bis an den Stadtrand vor, während seine Anhänger Stellungen Hafters angriffen.

Die Aktivistin Noura Jerbi berichtet von heftigen Straßenkämpfen in Bengasi um die Villen, die Dschadran seinen Anhängern mit dem Geld aus Tripolis zur Verfügung gestellt hat. 40 Prozent der Einwohner von Ras Lanuf stünden auf seiner Lohnliste, so Jerbi. „Solange sie glauben, dass Dschadran zurückkehren könnte, wird dieser Kampf weitergehen“, sagt sie.

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