Kita-Ausbau: Kein weiter wie bisher: „Die Innenstadt wird zu teuer“

Bisher haben vor allem kleinere Träger einen Großteil des Platzausbaus gestemmt. Dieser Weg sei ausgereizt, warnt Bernd Schwarz vom Berliner Kitabündnis.

5 vor 12? Der Senat braucht eine neue Strategie für den Kitaplatzausbau, sagt Bernd Schwarz vom Kitabündnis. Bild: dpa

taz: Herr Schwarz, die Senatsbildungsverwaltung feiert den Kitaplatzausbau als Erfolg: 11.000 geschaffene Plätze allein aus Landesmitteln seit 2012 – 18.500 Plätze insgesamt sollen es bis Ende 2018 noch werden. Was sagt das Kitabündnis: Läuft doch?

Bernd Schwarz: Nein. Die Senatsverwaltung kann zwar zu Recht stolz sein auf das bisher Erreichte. Die verschiedenen Programme aus Bundes- und Landesmitteln, die ja wohlgemerkt immer nur eine anteilige Förderung beinhalten...

… etwa die sogenannte Starthilfe, bei der bis zu 1.000 Euro pro Platz vom Land kommen …

… die hat offenbar als Anreiz für die Träger gut funktioniert, eigene Mittel zu mobilisieren und so den Kitaplatzausbau voranzutreiben. Nur: Die Mittel, die beantragt werden, reichen in der Zukunft nicht aus, um den prognostizierten Bedarf zu decken.

Wo liegt das Problem?

Der Schwerpunkt des Landesprogramms lag bisher auf kleinen Einrichtungen. Gerade kleinere Träger haben in der Vergangenheit etwa die von Ihnen erwähnte Starthilfe abgerufen – und so tatsächlich mehr Plätze als zunächst erwartet geschaffen. Dieser Weg ist aber aus unserer Sicht beinahe ausgereizt: Zum einen müssen immer Eigenmittel vorhanden sein, die vorhandenen Förderprogramme beinhalten ja immer nur eine anteilige Kostenübernahme. Zum anderen wird auch der Mietraum, der für Kitas zur Verfügung steht, gerade in den Innenstadtbezirken zunehmend knapp.

Jetzt verdrängen die Hipster also auch noch die Kinder?

35, sitzt für den Landeselternausschuss Kindertagesstätten (LEAK) im Berliner Kitabündnis, einem Zusammenschluss von Elternvertretungen, Gewerkschaften und Kita-Trägern und -Verbänden.

Jedenfalls werden die Mietkosten für Kitaräume in einigen begehrten Kiezen schlicht zu teuer für die Fördergelder – wie etwa die Starthilfe –, die man derzeit beantragen kann. Man müsste also verstärkt auf größere Träger mit eigenen Grundstücken oder mit langfristigen Nutzungsverträgen setzen.

Die Senatsbildungsverwaltung sagt ebenfalls: Perspektivisch sei damit zu rechnen, dass sich „preisgünstige Maßnahmen“ wie die Starthilfe erschöpfen. Dennoch soll dieses Programm auch in Zukunft schlicht „fortgeführt“ werden. Problem erkannt, politische Lösungsidee: Fehlanzeige?

Die Senatsbildungsverwaltung ist ja nicht auf den Kopf gefallen, die kennt ihre Förderinstrumente sehr genau. Aber genau deshalb wäre jetzt der Moment, sich in den Verhandlungen über den nächsten Haushalt hinzustellen und zum Beispiel endlich Geld für ein gezieltes Investitionsprogramm in Neubauten zu fordern.

Gibt es doch schon: Das Landesprogramm „Auf die Plätze, Kitas, los!“ stellt auch Gelder für bauwillige Träger bereit.

Aber eben wieder nur anteilig: Bis zu 7.000 Euro pro Platz werden gefördert. Ein Neubauplatz ist aber teurer, der kostet mindestens 25.000 Euro. Selbst wenn man von einem Kostenminimum von 10.000 Euro pro Platz und von 10.000 Plätzen ausgeht, die noch fehlen, sind wir bei mindestens 100 Millionen Euro. Die gibt es aber nirgends. Anteilig geförderte Neubauten, wie es jetzt der Fall ist, kommen zudem vor allem für größere Träger mit entsprechendem Eigenkapital infrage. Die allerdings haben in der Vergangenheit schon viel investiert. Da ist nicht mehr viel möglich.

Sie sagen also: Die Startphase mit dem Instrument der anteiligen Förderung ist zu Ende. Aber Neubau kann doch auch nicht die einzige Antwort sein: Wo sollen denn alleine die Flächen für 10.000 Neubauplätze herkommen?

Ein Neubauinvestitionsprogramm wäre ja auch nur ein Teil der Lösung. Es gäbe mehrere Ansätze. Zum Beispiel die sogenannten städtebaulichen Verträge …

ab einer bestimmten Anzahl von geschaffenen Wohneinheiten muss ein Bauherr dafür sorgen, dass auch Raum für Kitaplätze geschaffen wird.

In der Realität ist es aber häufig schwer, dann einen Betreiber zu finden – eben weil die angesprochenen Förderprogramme wirtschaftlich nicht attraktiv genug sind. Da könnte man bei diesem eigentlich sehr sinnvollen Instrument der städtebaulichen Verträge nachbessern und sagen: Dann braucht es eben einen entschiedeneren finanziellen Einsatz seitens der öffentlichen Hand.

Bei einer Kitabesichtigung zum „Tag der Kinderbetreuung“ in Neukölln forderte SPD-Fraktionschef Raed Saleh mit Blick auf den Kitaausbau unlängst eine „neue Liegenschaftspolitik“. Wäre das nicht eine viel größere Stellschraube, an der man noch drehen könnte?

Man müsste es den Trägern zum Beispiel ermöglichen, Grundstücke zweckgebunden für einen Euro zu erwerben, und die Bauvorhaben dann mit Fördergeldern und preisgünstigen Krediten unterstützen – aber ich bin skeptisch, ob man da auch Taten erwarten kann. Es gab ja diese Aktion „Erbbaurechtsverträge für einen Euro“ – öffentliches Land für einen Euro Pacht, wenn man eine Kita drauf saniert, baut, erweitert. Am Ende kam dann heraus, dass das allerdings nur für eine Handvoll Flächen gilt. Das ist noch nicht die neue Liegenschaftspolitik. Vielleicht ist es auch vielmehr ein „Zusammendenken“ von bereits vorhandenen Förderinstrumenten, was uns beim Kitaausbau fehlt.

Was meinen Sie damit?

Wenn ich zum Beispiel eine Kita mit angeschlossener Krippe für unter Dreijährige (U3) bauen will, haben die Mittel, die ich aus dem U3-Bundesprogramm bekomme, eine vollkommen andere Laufzeit als die Gelder aus dem Landesprogramm für ältere Kinder. Oder ich beantrage zwar erfolgreich Förderung aus der Starthilfe – aber dann kann ich meinen kleinen Kinderladen ohne Garten nicht aufmachen, weil keine Spielplätze in der näheren Umgebung vorhanden sind. Und auch keine Mittel da sind, um einen neuen Spielplatz zu bauen.

Da gehen also viel Synergien verloren?

Vor allem brauchen wir eine Gesamtplanung für die Stadtentwicklung in Berlin, die alle Bedürfnisse in den Blick nimmt.

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