Koch über alpine Küche: „Geht in die Wirtshäuser!“

Confierter Erdapfel, Schnitzel, Innereien: Andreas Döllerer betreibt in seinem Gasthof vorne ein gewöhnliches Beisl, hinten ein Gourmet-Restaurant.

Andreas Döllerer grinst in die Kamera

Andreas Döllerer wurde zum Gastronom des Jahres gewählt Foto: Jörg Lehmann

wochentaz: Herr Döllerer, marinierter Saibling im Molkesud, Krautsaft, confierter Erdapfel – das servieren Sie in Ihrem Restaurant. Ist das ein typisches Gericht der alpinen Küche?

Andreas Döllerer: Ja, das kommt alles aus der Region und arbeitet mit traditionellen Zutaten. Es ist nur neu kombiniert. Die alpine Küche versucht die besten Produkte des Alpenraums auf den Teller zu bringen. Gleichzeitig ist es eine Mischung aus Avantgarde und Geschichte. Da finden sich jahrhundertealte Rezepte, aber auch neue Gerichte, neue Interpretationen.

Sie betreiben einen Gasthof an der Salzach in Österreich. 60 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche im Salzburger Land werden für biologischen Anbau genutzt.

Das hat damit zu tun, dass unsere Landwirtschaft schon immer eher kleinflächig ist, was auch geografische Gründe hat. Es ist vor allem eine Milch- und Viehwirtschaft hier vor Ort, und da ist es der klügere Weg, in die biologische Richtung zu gehen. Dass das so viele im Salzburger Land tun, finde ich natürlich großartig. Es garantiert, dass unsere Produkte auch in der Masse hochwertig sind. Unser Fisch, Kalbsfleisch, Innereien – alles kommt von kleinen Produzenten vor Ort, wir arbeiten mit mehr als 60 von ihnen zusammen.

Hat sich das Bewusstsein der Gäste, was die Qualität der Zutaten beim Essen betrifft, verändert in den letzten Jahren?

Ich würde mir wünschen, dass es so wäre. Aber ich bin mir nicht sicher, trotz der vielen Kochsendungen. Am Ende entscheidet doch die Geldbörse, was ich mir leisten kann. Und es ist nur ein kleiner Teil der Gesellschaft, der diese qualitativ hohe Küche bezahlen kann.

Sie kochen also für Reiche?

Nein! Es ist das Wirtshaus, wo wir herkommen. Unser Haus hier in Golling gibt es seit 100 Jahren und das Restaurant kam dann in den 80er Jahren dazu, um die Qualität zu steigern.

Sie betreiben vorne weiter das Wirtshaus und hinten im Wintergarten das Restaurant.

Aufgrund der hohen Bewertungen entsteht manchmal der Eindruck, dass es so etwas wie unser Hauptgewerbe sei, aber im Kern sind wir immer ein Wirtshaus geblieben. Der Trend zum Wirtshaussterben, den es auch in Österreich gibt, gefällt mir überhaupt nicht.

44, stammt aus dem Salzburger Land. Er wurde mehrfach von verschiedenen Medien zum Koch bzw. Gastronom des Jahres gewählt. Döllerer leitet den gleichnamigen Familienbetrieb in vierter Generation.

Was kann man dagegen tun?

Man kann den Leuten nur sagen: Geht in die Wirtshäuser, sonst wird es sie bald nicht mehr geben! Wir halten diese Wirtshauskultur besonders hoch und kochen dort die Klassiker aus den unterschiedlichen regionalen Traditionen des Landes. Die österreichische Küche ist eine Wiener Küche, eine mährische Küche, eine alpine Küche. Das liegt uns am Herzen.

Ist die Wirtshausküche für einen Spitzenkoch wie Sie die einfache Küche?

Sie ist handwerklich durchaus schwierig, kommt aber in der Regel mit etwas günstigeren Grundprodukten aus. Man ­verarbeitet nicht die edelsten Teile. Es ist oft eine In­nereienküche, Stücke, die speziell sind, vom Zuschnitt her, wo man ­Bescheid wissen muss. Und wenn dieses Know-how nicht gepflegt wird, dann geht es ­verloren. Das wäre sehr schade.

Was ist der Bestseller in Ihrem Wirtshaus?

Das Schnitzel.

Wie gelingt es, ein gutes Schnitzel zuzubereiten?

Meistens bedenkt man nicht, wie viel Fett verwendet werden muss. Da ist sehr viel Butterschmalz in der Pfanne, sonst klappt nichts. Das Schnitzel muss schwimmen. Was auch noch ein kleiner Tipp sein könnte: Wenn man das Fleisch salzt nach dem Klopfen, sollte man etwas warten, bevor man paniert. Durch das Salz entsteht an der Oberfläche des Fleisches ein kleiner Wasserfilm, weil Salz ja die Flüssigkeit herauszieht. Dieser Wasserfilm sorgt dann dafür, dass sich die Panier vom Fleisch ablöst und ebendiese Wellen schlägt, die man gerne haben möchte.

Innereien sind auch gefragt?

Viele Stammgäste kommen für Beuschel und Kalbsniere. Auch weil es die Kunden andernorts immer seltener finden. Das kann auch nicht jeder kochen, es ist aufwändig und schwierig.

Welche Rolle spielt die Metzgerei, die Sie mit im Haus haben?

Da ich in einer Metzgerei groß geworden bin, habe ich auch eine spezielle Verbindung dazu. Mittlerweile schlachten wir ja nicht mehr selbst im Haus. Leider. Umso wichtiger ist mir deshalb unser Metzgerladen, den wir weiterführen. Weil es zu unserer Identität gehört. Und auch die Rezepte meines Onkels, der ein wirklich begnadeter Metzger war, sind mir sehr wichtig.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Ihre Familie ist hier in diesem Gasthof seit 1909.

Ich bin die vierte Generation als Wirt. Ich bin aber tatsächlich der erste Koch. Früher waren hier die Köche angestellt. Mein Vater hat Anfang der 1980er Jahre begonnen, alles in Richtung Qualität zu drehen. Ich glaube, 1982 bekamen wir die erste Haube des Restaurantführers Gault&Millau.

Und Ihre Ausbildung?

Mit 15 habe ich erkannt, dass mein Weg in die Küche führen wird. Ich habe dann nach der Oberschule ein paar Praktika gemacht: in Italien, im Landhaus Bacher, auch in der Küche von Dieter Müller in Bergisch Gladbach. Das war zu dieser Zeit eines der besten Restaurants Deutschland. Sehr frankophil. Seit 2004 bin ich hier im Haus Küchenchef. Am Anfang habe ich modern französisch gekocht, das hat sich dann stark gedreht in Richtung regionale Küche. Und am Ende dann zu alpiner Küche. Wir haben 2009 zum letzten Mal Meeresfische auf der Speisekarte gehabt. Bei uns gibt es nur mehr Süßwasserfisch.

Ihr Forellenceviche schmeckt hervorragend.

Unser Weg war nicht immer erfolgversprechend. Ich war aber überzeugt von unserer Idee, und am Ende entscheiden ja auch nicht die Gastrokritiker, sondern die Gäste.

Finden Sie leicht Personal?

Personal fehlt gerade überall. Was es schon sehr schwer macht für unsere Branche, ist die Schicht- und Wochenendarbeit. Das sind Dinge, die natürlich dazugehören. Es reicht nicht mehr, als ­Restaurant hoch bewertet zu sein, und dann hast du automatisch Mitarbeiter. Es hängt auch davon ab, wie man mit den Leuten umgeht, was man ihnen als Arbeitgeber bietet, das Gehalt muss passen, die Arbeitszeiten. Es hilft natürlich, wenn man, wie wir hier in Golling, an einem zentralen Ort liegt, wo die Lebensqualität sehr hoch ist. Wenn diese Faktoren stimmen, dann wird es auch in Zukunft möglich sein, die besten Mitarbeiter zu finden. Jammern hilft ja nicht, man muss sich was einfallen lassen.

Bilden Sie selber aus?

Ja, wir bilden momentan neun Lehrlinge aus. Und das ist sehr wichtig. Viele jammern, dass sie kein Personal haben, aber sie bilden auch nicht aus. Da braucht man sich dann nicht zu wundern.

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