Kohlendioxid-Lagerung: Oslo stoppt Mondlandung

Ein CCS-Projekt sollte Norwegens Klimabilanz verbessern. Weil die Technik nicht vorankommt, stieg der Treibhausgasausstoß aber sogar.

Protestaktion in Niedersachsen: CCS sehen Umweltschützer kritisch.

STOCKHOLM taz | Nach sieben Jahren und Investitionen in Höhe von über einer Milliarde Euro gibt Norwegens rot-grüne Regierung das weltweit bislang ehrgeizigste Projekt zum Bau einer CCS-Anlage im industriellen Maßstab auf.

Energieminister Ola Borten Moe teilte mit, dass alle Arbeiten für die Anlage zur Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid (Carbon Dioxide Capture and Storage, CCS), die im norwegischen Mongstad errichtet werden sollte, bis Jahresende eingestellt würden. Begründung: zu teuer, technisch unausgereift.

Als „unsere Mondlandung“ hatte Ministerpräsident Jens Stoltenberg 2006 die Pläne angekündigt, mit der Norwegens fossile Energieproduktion klimaneutral gemacht werden sollte. Das Kohlendioxid aus den Abgasen von Gaskraftwerken solle abgetrennt werden und in leergepumpten Öllagerstätten unter dem Nordseeboden „auf ewig“ verschwinden. Mongstad sollte die erste Pilotanlage und Norwegen bis 2050 der „erste Null-Emissions-Staat der Welt“ sein.

Ein finanzielles, technisches und klimapolitisches Fiasko

Doch was Kritiker der CCS-Technik schon befürchtet hatten, bewahrheitete sich: Mongstad wurde ein finanzielles, technisches und klimapolitisches Fiasko: Norwegens Ziel ist es, seinen CO2-Ausstoß bis 2020 um 30 Prozent unter den des Jahres 1990 zu drücken. Tatsächlich lag man 2012 um fünf Prozent darüber. Denn das Gaskraftwerk hatte nur neu gebaut werden dürfen, weil die Regierung versprochen hatte, es werde keinen Tag ohne funktionierende Klimagasabscheidung in Betrieb sein. Das ist es nun aber seit 2010 - und inzwischen mit jährlich bis zu zwei Millionen Tonnen die größte einzelne CO2-Verunreinigungsquelle des Landes.

Umweltorganisationen fordern deshalb nach dem jetzigen Ausstieg aus dem CCS-Programm einen sofortigen Betriebsstopp. Der Strom wird nicht für die einheimische Versorgung gebraucht, sondern exportiert – etwa nach Deutschland, wo norwegischer Strom als „grün“ vermarktet wird.

Von der „Mondlandung“ ist nur ein CCS-Testzentrum geblieben, das 620 Millionen Euro verschlungen hat. Moe kündigte an, es mit gekürztem Budget weiterzubetreiben. Norwegen habe die Absicht, bis 2020 eine industriell nutzbare CCS-Anlage zu bauen, nicht grundsätzlich aufgegeben.

Die Umweltbewegung ist gespalten. Bei Greenpeace findet man es „schade um das Geld und die vertanen Jahre“. Für Bellona ist der Skandal dagegen, dass das Projekt nun nicht zu Ende geführt wird. Mongstad sei auch wegen der potenziellen Offshore-Lagermöglichkeiten das einzige geeignete Projekt in Norwegen gewesen, meint CCS-Experte Keith Whiriskey. Das Aus sei eine „Katastrophe für den globalen Kampf gegen die Klimaänderung“.

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