Kolumne Die eine Frage: Mit der Machete in der Hand

Wie liberal die Grünen sein können, ist für den Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter keine Frage. Liberal ist, wenn die anderen es einsehen.

Anton Hofreiter hinter einer Pflanze

Anton Hofreiter – nicht im Urwald sondern im Berliner Jakob-Kaiser-Haus Foto: dpa

Im peruanischen Dschungel nahe der Stadt Ayacucho begibt es sich, dass fünf Banditen einen Biologen aus Sauerlach ausrauben wollen. Da zieht der Biologe sein scharfkantiges Stemmeisen und fixiert den Chefbanditen. Seine Augen sagen: Ihr könnt mich killen, aber dich nehm ich mit, mein Freund. Da lassen die Banditen von Anton Hofreiter ab.

Das ist nicht lustig, eine existentielle Erfahrung und Hofreiters Signature-Geschichte, von der Zeit gerade wieder recycelt. Sie lässt eine neue Deutung zu: So oder so ähnlich fühlen sich für den Grünen Fraktionsvorsitzenden offenbar auch Interviews an. Etwa unlängst mit dem Deutschlandfunk. Vorsicht beim Nachhören: Das tut richtig weh.

Ein Journalist, der Hofreiter weder berauben, noch umbringen will, wird von ihm ruckzuck als Feind ausgemacht. Im Grunde sind es nur zwei Fragen zum Schülerprotest #FridaysForFuture. Die eine ist die Stulle-Frage nach der Schulpflicht. Kann nerven, aber ist halt Teil der gesellschaftlichen Diskussion, und da muss vom Fraktionsvorsitzenden der laut Umfragen zweitgrößten Partei Deutschlands mehr kommen als fünfmal auszuweichen und die moralische Exzellenz der engagierten jungen Leute zu feiern.

So lautet folgerichtig die zweite Frage: Ob denn er die Vernachlässigung der Schulpflicht wegen gesellschaftlichen Engagements auch guthieße, wenn die Schüler gegen Einwanderung oder EU demonstrierten?

Die Suche nach gemeinsamer Zukunft

Diese Frage ist für überzeugte grüne Vertreter von Klimaschutz, EU und Einwanderung nicht einfach zu beantworten und deshalb sollte man zumindest sagen, dass das eine sehr gute Frage sei und für einen Grünen nicht einfach zu beantworten. Man könnte dann reflektiert die Stichworte „Spannungsfeld“, „Ambivalenz “ und „Dilemmata“ in die Diskussion werfen. Genau hier wird es ja für liberale Demokraten auf der Suche nach gemeinsamer Zukunft der Unterschiedlichen ernst.

Hofreiter kann kein Spannungsfeld erkennen. Er kann oder will nicht reflektieren, dass der Journalist die offensichtlichen Widersprüche einer gut gemeinten „linksliberalen“ Haltung thematisieren will. Also bleibt er barsch beim Tenor: Das Gute ist moralisch gerechtfertigt. Was gut ist, entscheiden wir. Liberal ist, wenn die anderen das einsehen. Selbstreflexion ist nicht vorgesehen. Humorlosigkeit ist Pflicht. Da es ein Radiointerview ist, kann man leider nicht sehen, ob der Fraktionsvorsitzende Hofreiter seine Urwald-Machete in die Hand genommen hat. Es hört sich ein bißchen so an.

Man muss allerdings sehen, dass Hofreiter auf Parteitagen bisher dafür gefeiert wurde, wenn er sich in Radikal-Opposition zu den Spannungsfeldern der Realität begab. „Und wenn wir die einzigen sind, die auf Seiten der Humanität stehen, dann stehen wir trotzdem auf Seiten der Humanität“, schrie er mal. Da war der Jubel groß.

Feinde verjagen

Es ist richtig, dass verantwortliche Minister wie CDU-Altmaier mit ihrer Routine des Nix-übertreiben-Prinzips bei der Erderhitzung ins Leere laufen. Das ist ein Grund, warum das christdemokratisch-sozialdemokratische Zeitalter zu Ende ist. Es braucht einen neuen Ansatz, und der könnte in Armin Nassehis Konzept einer „Führung durch Übersetzen“ bestehen, also in einer mehrheitsfähigen Politik, die die unterschiedlichen Systemlogiken der entscheidenden Player nicht mit einem humanistischen Basta ändern will, sondern sie konstruktiv vernetzen kann.

Dafür muss man anders über Politik und Gesellschaft denken, man muss anders über und mit Menschen sprechen. Und die eigenen Widersprüche reflektieren. Mit der Machete in der Hand kann man Feinde verjagen. Aber keine Verbündeten gewinnen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes war versehentlich Bettina Gaus als Autorin angegeben.

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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