Kolumne Flimmern und Rauschen: Kein „Brennpunkt“ für Notre-Dame

Auf Twitter verlangten einige Nutzer nach einem ARD- „Brennpunkt“ zum Brand in Notre-Dame. Das Unglück rechtfertigt aber keine solche Sendung.

Notre Dame brennt

Am Montagabend stand Notre Dame in Flammen Foto: dpa

Hier müssen heute ein paar Fragen beantwortet werden. Zum Beispiel die von Armin Laschet aus Düsseldorf. Der NRW-Ministerpräsident fragte am Montagabend beim Brand von Notre-Dame in Paris via Twitter: „Warum muss man @CNN einschalten während die @ARD_Presse Tierfilme zeigt?“ Nun, lieber Armin Laschet, das liegt unter anderem daran, dass CNN ein Nachrichtensender ist – und die ARD nicht.

Und nur weil es schon wegen des innewohnenden Kalauers so schön ist, wenn’s brennt nach einem „Brennpunkt“ zu rufen: Der Anspruch besteht schon darin, in einem „Brennpunkt“ und ähnlichen Sondersendungen mehr zu bieten als drüberwegquatschende Ahnungslosigkeit, wie man sie dann bei den Nachrichtenkanälen am Montagabend besichtigen konnte.

Damit sollen jetzt um Himmels Willen nicht per se alle als nachrichtenwertig getarnten Sondersendungen gerechtfertigt werden, die uns regelmäßig über a) den jahreszeitlich erwartbaren Fall von Schneeflocken, b) das jahreszeitlich nicht zu erwartende Ausbleiben von Schneefall oder c) über das gänzlich unerwartete Einsetzen des Winters gegen Jahresende „informieren“.

Der Ruf nach dem „Brennpunkt“ kam am Montag übrigens vom aus vielen „Brennpunkten“ bekannten Ulrich Deppendorf, und natürlich versteht man die Sehnsüchte alter Schlachtrösser nach der Zirkusluft, aber Notre-Dame ist nicht der Kölner Dom. Und nach der „Tagesschau“ war nicht viel mehr klar als das, was in der „Tagesschau“ auch zu sehen und zu hören war. Dass der Beitrag aus Paris erst an dritter Stelle kam, nach VW-Winterkorn und der Ver­fassungsgerichtsentscheidung zur Europawahl, kann man ja in Hamburg noch mal diskutieren.

Es bleibt die Dreifaltigkeit

Wobei wir beim Kern des Pudels wären: Ja, es gibt keinen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal in Deutschland. Was wiederum a) an den Anstalten, aber noch stärker b) eben auch an der Medienpolitik liegt. Sie könnte – und müsste – ein solches Angebot beauftragen. Macht sie aber nicht, aus Rücksicht auf Menschen wie Hans Demmel. Den kennt auch Armin Laschet, Demmel war schließlich bis neulich Chef des privaten Nachrichtensenders n-tv, der zur Kölner RTL-Gruppe gehört, und ist jetzt Vorstand des Privat­sender-Lobbyverbands Vaunet.

Springers N24/welt.tv würde ebenfalls Sturm laufen. Und so bleibt es bei einer ein bisschen unheiligen Dreifaltigkeit aus Phoenix, tagesschau24 und ZDF info, die alle mehr suggerieren, als sie sind: nämlich kleine, spärlich ausgestattete Kanäle.

Und wäre ein öffentlich-rechtlicher Nachrichtenkanal überhaupt sinnvoll? Er würde sich den Gesetzen der Branche – Durchsenden, auch und gerade wenn noch gar nichts klar ist – kaum entziehen können. Oder immer brav sagen, dass man noch gar nichts weiß. Worauf dann die gleichen Tweets kämen wie am Montagabend, wetten, dass?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.