Kolumne Luft und Liebe: Keine Frage des Pimperns

Prinz Andrew und Bill Cosby wird Vergewaltigung vorgeworfen. Warum die Rede von „Sex-Skandalen“ und „Sex-Vorwürfen“ sehr falsch ist.

Irgendwas mit Bienchen und Blümchen: Darum geht es nicht. Bild: dpa

Das geht ja super los. Von den 45 Meldungen, die es dieses Jahr bisher auf dem Tickerserver der taz zum Thema Sex gab, haben 25 mit Prinz Andrew zu tun. Seine Königliche Hoheit, Sohn der Queen und Fünftplatzierter der britischen Thronfolge, soll dumme Sachen gemacht haben. Ziemlich dumme Sachen.

Eine Frau in den USA behauptet, von ihm zum Sex gezwungen worden zu sein, und zwar in den Jahren 1999 bis 2002, als sie noch minderjährig war. Der Buckingham-Palast hat diese Vorwürfe bereits mehrfach und „mit Nachdruck“ zurückgewiesen. Sie seien „kategorisch falsch“ und „komplett unwahr“.

„Sex-Vorwürfe setzen Andrew unter Druck“, schreibt jetzt die Deutsche Presse-Agentur, und: „Steht den Royals ein Sex-Skandal ins Haus?“ Von Sex-Vorwürfen und einem Sex-Skandal liest man auch bei der Welt, dem Handelsblatt und Focus Online, und bei der Gala und der Bunten sowieso. Bei Letzterer wird das Ganze sogar zu einem architektonischen Problem: „Ein Sex-Skandal rüttelt an den Mauern des Buckingham-Palasts“, heißt es. Er rüttelt sie, er schüttelt sie.

So weit, so Klatsch. Das Problem an den Begriffen „Sex-Skandal“ und „Sex-Vorwürfe“: Sex ist gar nichts Schlimmes. Das Verwerfliche an der Sache ist nicht, dass der Prinz womöglich blöd rumgevögelt hat. Das Verwerfliche ist der Zwang. Es geht nicht um Sex, es geht um Gewalt – ob die Vorwürfe nun stimmen oder nicht. Es geht um gebrochenen Willen, um Grenzüberschreitung und Verbrechen.

Auch im Fall von Bill Cosby ist derzeit von einem „Sex-Skandal“ die Rede. Dabei geht es um Missbrauchsfälle in einem Zeitraum von vier Jahrzehnten, um Vergewaltigung unter Drogen, um ziemlich viel Scheiße. Von einem Sex-Skandal oder Sex-Vorwürfen zu sprechen, wenn es um den Vorwurf der Vergewaltigung geht, ist nicht ungewöhnlich, aber total krank. Es ist ungefähr so absurd, als würde man nach einem Raubüberfall von einer Schenk-Tragödie sprechen: Es haut nicht hin.

Das heißt nicht, dass man diese Begriffe nicht benutzen kann. Ein Sex-Skandal wäre es zum Beispiel, wenn Obama und Kim Jong Un sich zu öffentlichem Versöhnungssex treffen würden. Sex-Vorwürfe könnte man jemandem machen, der eigentlich gerade das Bad putzen soll und prokrastinativ kopuliert. Oder wenn man ganz, ganz prüde ist und Sex generell scary findet und lieber verbieten will. Alles möglich.

Es wär natürlich alles leichter und witziger, wenn es einfach um Sex ginge. Im Falle von Prinz Andrew könnte man seine Exfrau, Sarah „Fergie“ Ferguson, geradezu als Expertin zu Rate ziehen. Die hat gerade erst mit der Daily Mail gesprochen und über ihren Ex gesagt: „Er ist ein großartiger Mann, der beste Mann der Welt.“

In Pimperfragen möchte man Fergie die Definitionsmacht auch kaum absprechen, trägt sie doch Coat_of_Arms_of_Sarah_Ferguson.svg:in ihrem offiziellen Wappen tatsächlich gülden-pink-grüne Bienchen und Blümchen, und dazu auch noch den Yogitee-Spruch „Aus Widrigkeiten wächst Freude“. Fast zu schön, um wahr zu sein. Nur leider in den meisten Fällen auch schlicht falsch. Widrigkeiten können auch einfach ganz beschissen sein. Und unsexy.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.