Kolumne Männer: Besser geht's nicht

Das männliche Herummosern ist der Globalisierung zum Opfer gefallen. So ein Mist.

Google ignoriert meinen Wunsch. Dabei tippe ich einfach nur zwei Wörter in die Suchleiste: "Männer" und "mosern". Und was liefert mir die Suchmaschine als ersten Treffer? "Styling Männer: modern und sexy - Men's Health.de". Dahinter: das Facebook-Profil einer "Sandra Mann-Moser". Bin ich etwa der letzte Mensch, der weiß, dass das Mosern einmal fester Bestandteil des männlichen Charakters war?

Das Mosern, auch Herummosern genannt, ist die in Vergessenheit geratende Kunst, leise, aber beständig zu schimpfen. Es ist der kleine Bruder des Wutanfalls und ein enger Freund des Besserwissens. Es ist nicht ganz klar, wer seine Eltern sind: etwa Pedanterie und Testosteron? Wurde es groß gezogen von sexueller Frustration?

Als ich jung war, und das ist anders lautenden Gerüchten zum Trotz gar nicht so lange her, zeigte das öffentlich-rechtliche Fernsehen noch Filme aus einer fernen Zeit, als Mosern hip war. Darin spielte meist dieser kleine, schlecht gelaunte Österreicher mit, der ausnahmsweise nicht Adolf Hitler hieß, aber trotzdem sehr unterhaltsam war. Der Schauspieler konnte ganze Schwarz-Weiß-Filme damit füllen, sich kunstvoll und absolut zwecklos über Gegenstände und Sachverhalte aufzuregen. Für den Fall, dass jemand nicht verstand, was er da tat, hatte er sich einen sprechenden Künstlernamen zugelegt: Hans Moser.

Auch im privaten Bereich war das von seinem Erfolg selbst nicht überzeugte Genörgel unter Männern sehr beliebt. Eine ganze Reihe schlechter Witze drehte sich um den lieblosen Gatten, der sich über das von der Ehefrau dargereichte Essen beschwert. Vielleicht finde ich ja einen Beispiel-Scherz im Internet. Also: "Mann", "essen", "herummosern". Erster Google-Treffer: "Was muss der Mann essen, damit das Sperma schmeckt - Forum goFeminin.de". Wie sich die Zeiten ändern.

Als ich ein Kind war, und das ist zumindest nicht sooooo lange her, da gab es in meiner Welt drei Gewissheiten: Kanzler heißen Helmut Kohl, der Wald stirbt, und: Männer beschimpfen Fernseher. Fürs Kritisieren eines toten Gegenstands lieferte dieser jede Menge Anlass: die Übertragung schlechter Fußballspiele, Wahlergebnisse oder Wettervorhersagen. Das war praktisch: Man konnte mal ordentliche seine Meinung sagen, musste aber keine Beleidigungsklage fürchten, sondern höchstens mal während der Eurovisions-Hymne aufs Klo.

Von alledem ist wenig übrig. Meiner Meinung nach ist das männliche Mosern der Globalisierung zum Opfer gefallen. In einer Welt, in der die Menschen einander beständige Selbstoptimierung abverlangen, ist lautes Lamentieren über Dinge, die man offensichtlich nicht kontrolliert, unsexy. Wer mosert, ist halt nicht flexibel genug. Zielloses Nörgeln ist nur noch erlaubt, wenn es andere für einen erledigen (Kabarettisten), heimlich geschieht (Internetkommentare) oder getarnt wird (Ironie).

Hat das Mosern noch eine Zukunft? Neulich sah ich bei Facebook einen Gruppennamen. Er lautet: "Wenn ich mal alt bin, werde ich nur nörgeln. Das wird ein Spaß." Da wünschte ich mir, ich wäre nicht so verdammt jung.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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