Kolumne Nebensachen: "Schon mal Präservative benutzt?"

Eine recht gewagte Demonstration des populärsten Entertainers Fiorello auf Italiens Staatssender RAI 1.

Sprechen Sie mir alle im Chor nach: pro-fi-lat-ti-co!" Das "Prophylaktikum" - so nennen die Italiener gemeinhin Kondome - wollte Fiorello, der populärste Entertainer des Landes, am Dienstag in seiner Abendshow vom Publikum gefeiert sehen. Hunderte Studiogäste gehorchten, während im Land mehr als 10 Millionen Menschen dem Quotenhit auf dem Staatssender RAI 1 zuschauten.

"Sie haben doch auch schon mal Präservative benutzt?", fragte Fiorello dann noch seinen in der ersten Reihe sitzenden Wellenchef, und der kicherte verlegen wie ein 15-jähriger Bube. Fiorello hatte seine Gründe, mit fünf Tagen Verspätung die Vorzüge der Lümmeltüte beim Kampf gegen HIV-Infektionen zu preisen.

Zum 1. Dezember, dem Weltaidstag, hatte das Sekretariat des Nachrichtenchefs von Radio RAI nämlich eine Mail an alle Journalisten rumgeschickt, mit der Aufforderung, "in keinem Beitrag explizit das Präservativ zu erwähnen" - angeblich sei dies eine Anordnung des Gesundheitsministeriums.

MICHAEL BRAUN ist Italienkorrespondent der taz und berichtet aus Rom.

Das Ministerium dementierte sofort energisch. In Italien wissen sowieso alle, wer wirklich mit Präsern Probleme hat: ein klitzekleiner, aber mächtiger Nachbarstaat, der es nur allzu gewohnt ist, sich in die inneren Angelegenheiten Italiens einzumischen: der Vatikan. Der predigt bekanntlich Enthaltsamkeit.

Fast schien die katholische Kirche, die in Italien Schwulenehen, Patientenverfügungen und anderes Teufelszeug verhindern konnte, auch an der Kondomfront wieder einen kleinen Sieg davonzutragen - bis Fiorello kam. Ausgerechnet Fiorello, in Italien so populär wie Gottschalk in Deutschland und so familientauglich, ausgerechnet dieser ideale Schwiegersohn, der nie jemandem wehtut.

Die klerikale Antwort folgte mit einer Philippika in der Wochenzeitung Famiglia Cristiana: "Die Auseinandersetzung über Aids, über die Vorbeugung, über die Leiden Afrikas in lustige Chöre zu verwandeln, das Publikum zum Grinsen anzustacheln - das ist keine Grenzüberschreitung. Das ist schlechter Geschmack." Schließlich weiß allein der Heilige Vater, was Familien bekommt, im Bett wie im Fernsehen.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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