Kolumne Später: Der alte Sack und die Königin

Was tun, wenn die Kinder aus dem Haus sind? Mit der Bienenzucht beginnen als Kompensation des eigenen körperlichen Verfalls? Oder einfach mehr Sex haben?

Die Laune der meisten Menschen soll in der späten Hälfte des Lebens besser sein als davor, zeigen Befragungen. Deswegen heißt diese Kolumne ab sofort „Später“. Doch wie lässt sich die gute Stimmung halten? Der niederländische Biologe Midas Dekkers zum Beispiel rät, sich dann, wenn die Kinder aus dem Haus sind und die eigene Reproduktionsfähigkeit versiegt, zum Ausgleich am Wachsen und Gedeihen in der Natur zu beteiligen.

Das Gegärtnere, die Katzenbetüddelung – alles eine Kompensation des eigenen körperlichen Verfalls. „Den Honigraum musst du vom Brutraum trennen“, erklärt Freundin Suse, „wenn die Brut in den Honig gelangt, bist du erledigt.“ Suse imkert neuerdings, das ist schwer angesagt.

Nur noch Ewiggestrige beglücken die Umgebung mit Kirschmarmelade aus dem Garten. Selbst erzeugter Honig ist cooler. Wir sind auf dem Weg zu Suses Bienenstock, doch ich höre ihren Ausführungen zum Zimmern der „Magazinbeute“ nur halb zu.

Denn wir stecken im Verkehrsstau und mein Blick ist auf die Plakatwand am Straßenrand gefallen. „Ich will’s lustvoll“, verkündet eine Frau, geschätzte 60, mit Perlenkette und sorgfältig onduliertem Blondhaar und schaut fordernd auf mich herab.

„Mach´s! Aber mach´s mit!“

Das Plakat gehört zu einer Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für Aids-Prävention und Kondomeinsatz. „Mach’s! Aber mach’s mit!“, steht lüstern unter der Dame. Ein paar Straßen davor ist mir schon auf einem anderen Plakat der tätowierte Typ aufgefallen, der „Ich will’s zärtlich“ verkündet. „Mach’s! Aber mach’s mit!“ Man fühlt sich gleich ein bisschen klein.

„Die Königin muss man manchmal sogar zu ihrem Hochzeitsflug zwingen“, reißt mich Suse aus meinen Gedanken, „die wird dann gezwickt von den Arbeitsbienen, damit sie losfliegt. Die Arme, so eine Paarung mit zwanzig Drohnen kostet bestimmt viel Kraft.“

Bin ich unsexy geworden? Neulich zum Beispiel lief im Fernsehen „Verhängnis“, ein intellektuell verbrämter Softporno mit Jeremy Irons und Juliette Binoche. Die beiden haben die meiste Zeit Sex, in allen Varianten. Viele Jahre davor, im Kino, empfand ich „Verhängnis“ als supererotisches Melodram. Doch kürzlich vor dem Flachbildschirm fragte ich mich nur noch: „Was rutscht der alte Sack auf dem Mädel rum?“

Eisbären in der Arktis

Ich schaltete um ins dritte Programm auf eine Reportage über das drohende Aussterben der Eisbären in der Arktis. War das nun meine Alterswende oder war der Film Mist gewesen? Meine Kollegin K. ist ja der Meinung, dass man in höheren Jahren auch deshalb vieles klarer sieht, weil nicht mehr Hormonströme den Gedankenfluss stören.

Ich drücke aufs Gas. Aber es gibt kein Entrinnen. „Ich will’s romantisch“, verkündet eine Dame ein paar Straßen weiter: „Mach’s! Aber mach’s mit!“ Mein Gott, das ist doch in Wirklichkeit eine Sex-Kampagne. „Dass die Drohnen nach der Paarung sterben, ist schon tragisch“, sagt Suse, „aber auch faszinierend. Du, ich komme echt auf den Naturtrip.“ Schön für sie. Doch was ist eigentlich „Natur“? Ich kann mich noch nicht entscheiden. Vielleicht mal später.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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