Kommentar Austritte bei den Piraten: Abstieg vom toten Pferd

Mangelnde Kompromissfähigkeit, öffentliche Fehden, fehlender Respekt: Das Scheitern der Piraten liegt vor allem an ihren schlechten Umgangsformen.

Gucken jetzt in die Röhre: die Individualisten der Piratenpartei. Bild: imago/ipon

BERLIN taz | Sicher, man kann sich noch einmal die Mühe machen und die Vorgänge, die zu den Austritten von Christopher Lauer, Oliver Höfinghoff, Anne Helm und Anke Domscheit-Berg aus der Piratenpartei geführt haben, genau zu recherchieren und nach Verantwortlichkeiten dafür suchen. Aber sonderlich lohnend ist das nicht. Denn erstens sind die Piraten schon spätestens seit der Bundestagswahl ein totes Pferd – und dass die vier von einem toten Pferd absteigen, ist weniger überraschend, als dass sie noch so lange versucht haben, weiter darauf zu herumzureiten. Selbst die Satire-Partei „Die Partei“ dürfte eine größere Zukunft haben als die Piraten.

Zweitens erinnert der jetzige Streit schon von Weitem an alles, was zum Untergang der Partei beigetragen hat: mangelnde Kompromissfähigkeit, das Austragen von Fehden in der Öffentlichkeit, fehlender Respekt im persönlichen Umgang. En détail nach Schuldigen zu suchen, kann man sich ersparen, wenn das gegenseitige Bewerfen mit Dreck Normalzustand ist. Selbst Anke Domscheit-Berg, eine der Klügeren unter den Piraten, verwendet diesen verletzenden Stil in ihrer Austrittserklärung. Ihr falle „kein Mitglied“ vom sozialliberalen (dem rechten) Parteiflügel ein, „das was Innovatives oder Mutiges geschafft hat“, schreibt sie. Und: Auf diesem Flügel gebe es „obrigkeitshörige, buchstaben-gesetzestreue Angsthasen“.

Domscheit-Berg versucht, das Scheitern der Piraten der Parteirechten anzulasten. Aber das ist falsch. Die Piraten sind, alle zusammen, an sich selbst gescheitert: an der mangelnden Bereitschaft, wenigstens ein paar Grundregeln von der politischen Konkurrenz zu übernehmen, was die Strukturierung von Debatten und den Umgang mit dem innerparteilichen Gegner betrifft. Wer die Piraten und ihren Hang zum schnellen Twittern erlebt hat, lernt das Schmieden von Bündnissen in Hinterzimmern und die stille Suche nach einem Konsens wieder schätzen.

Die Grünen etwa mögen von außen betrachtet in den 80er Jahren ähnlich chaotisch begonnen haben wie die Piraten. Aber vor allem ihre Ex-K-Gruppen-Mitglieder wussten wenigstens, wie man die inneren Debatten so führt, dass sich die Partei dadurch nicht zerlegt. Zugespitzt könnte man sagen: Die Piraten besaßen zu wenige Kader – und zu viele Individualisten mit schlechten Umgangsformen.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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