Kommentar BDS-Votum im Bundestag: Die Erstaunlichkeit des Diskurses

Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen: Der Beschluss des Bundestages gegen die BDS-Bewegung könnte fatale Kollateralschäden haben.

Bundestagsabgeordnete am Freitag im Plenum

In Deutschland zumindest gibt es weniger BDS-Aktivisten als Bundestagsabgeordnete Foto: dpa

Am Freitag hat der Bundestag einen gemeimsamen Antrag von Union, SPD, FDP und Grünen beschlossen, der die Israel-Boykottbewegung BDS („Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“) verurteilt. Der Beschluss hat zwei Aspekte – einen eher drolligen, einen womöglich fatalen. Eher komisch ist der donnernde Ernst, mit dem nun, im Namen von 631 Volksvertretern, eine recht randständige Organisation offiziell als antisemitisch deklariert wurde.

Es gibt hierzulande eine Handvoll BDS-Aktive, jedenfalls weit weniger als zum Beispiel Bundestagsabgeordnete. Gäbe es nicht die Trommelwirbel der BDS-Skandalisierer – viele hätten wohl nie von der Existenz der Gruppe erfahren. Dass von den paar BDS-Aktivisten hierzulande nicht wenige Juden sind, die man nun mit Bundestag-Siegel antisemitisch nennen darf, gehört zu den Erstaunlichkeiten des deutschen Diskurses.

Ein gutes Dutzend besonnener grüner Parlamentarier fürchtet, dass der Beschluss „weite Teile der palästinensischen Zivilbevölkerung, aber auch vereinzelte israelische Initiativen, die sich gewaltfrei für ein Ende der völkerrechtswidrigen Besetzung einsetzen und vor diesem Hintergrund BDS unterstützen, in die antisemitische Ecke“ stellt, wie es in einer Erklärung von Jürgen Trittin, Claudia Roth und anderen heißt. Doch diese Zweifel stießen leider auf taube Ohren.

Fatal ist, dass der Antrag eine rationale, kühle Debatte um den Nahostkonflikt per diskursivem Hochdruckreiniger wenn nicht verhindert, so doch erschwert. Noch fataler ist, wenn umtriebige Sympathisanten der israelischen Rechten in Kooperation mit dem sendungsbewussten Ministerium für strategische Angelegenheiten in Israel mit diesem Beschluss in der Tasche nun verstärkt Projekte von deutschen Stiftungen und Hilfsorganisationen im Ausland unter Druck setzen. Zwar weist auch die FDP, Inititatorin des Bundestagsantrags, dies von sich – doch die Attacke auf die GIZ in der Bild-Zeitung wegen Unterstützung palästinensischer Pro-BDS-Gruppen in der Westbank lässt nichts Gutes ahnen.

Wo mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird, gibt es Kollateralschäden. Denn laut Bundestag soll ja Projekten, die BDS unterstützen, fortan der Geldhahn zugedreht werden. Man kann nur hoffen, dass sich praktische Vernunft gegen den Wortlaut dieses Beschlusses durchsetzt.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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