Kommentar Bayerische Polizeiaufrüstung: Herrmanns Ablenkungsmanöver

Die Polizei hat beim Einsatz in München schwere Fehler begangen. Statt diese aufzuarbeiten, sollen neue Waffen her.

Beamte beim Einsatz gegen den Münchener Amokläufer Foto: dpa

Als der dilettantische Einsatz der bayerischen Polizei beim Olympia-Attentat 1972 neun israelische Geiseln das Leben kostete, war die richtige Konsequenz die Gründung von GSG 9 und Sondereinsatzkommandos. Fünf Jahre später gelang in Mogadischu, woran die Bayern gescheitert waren: eine Befreiung von Geiseln aus der Hand von Terroristen.

Beim Münchener Amoklauf am Freitag hat die Polizei offenkundig erneut schwere Fehler gemacht: Bewaffnete Zivilbeamte waren nicht als Polizisten gekennzeichnet, weshalb sie von Zeugen als Terroristen „mit Langwaffen“ gemeldet wurden. Die Polizei schürte daraufhin selbst die Panik mit der Meldung, bis zu drei Attentäter seien unterwegs. Ein Dementi der eingesetzten Beamten drang nicht durch, weil die Funkkanäle überlastet waren. Vor allem aber: Die Beamten verfehlten den Amokschützen, als sie auf ihn schossen – und verloren ihn stundenlang aus den Augen.

Die bayerische Bevölkerung hat am Freitag ebenso Glück gehabt wie Polizei und CSU. Hätte es der Täter darauf angelegt, möglichst viele Menschen zu erschießen, statt nach neun Morden planlos durch die Gegend zu laufen, wäre Innenminister Joachim Herrmann vermutlich schon nicht mehr im Amt.

Statt über Fehler beim Einsatz zu reden, kontert die CSU-Regierung nun mit der Forderung nach polizeilicher Aufrüstung, etwa nach Elektro-­Tasern. Was die hätten ausrichten können, bleibt unklar. Ein Training, wie Zivilkräfte sich schnell Polizeikleidung anlegen, mehr Funkkanäle und ein besseres Schusswaffentraining wären vermutlich wirkungsvoller.

Dass Herrmann mit seiner Ablenkungspolitik durchkommt, liegt auch an SPD und Grünen. In anderen Bundesländern schlüge jetzt die Stunde der Opposition, die einen Untersuchungsausschuss fordern würde. In Bayern aber haben SPD und Grüne der Polizei zu ihrem Einsatz gratuliert. Braucht ein Land, das eine solche Opposition hat, überhaupt noch eine?

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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