Kommentar Deutsche Türkei-Politik: Höchste Zeit für Wirtschaftssanktionen

Die Zeit des Wartens ist vorbei, der bisherige Umgang der Bundesregierung mit Erdoğan ist gescheitert. Jetzt gab es klare Worte, es müssen Taten folgen.

Angela Merkel mit strengem Blick

Die Bundesregierung muss jetzt durchgreifen, die zahme Methode funktioniert nicht Foto: dpa

Der Fall des in der Türkei inhaftierten Menschenrechtlers Peter Steudtner könnte ein Wendepunkt in der deutschen Türkei-Politik sein. Die deutlichen Worte Angela Merkels, die Urlaubsunterbrechung Sigmar Gabriels und die Einbestellung des türkischen Botschafters zeugen davon, dass die Bundesregierung nicht länger nur mit demonstrativer Gelassenheit auf die permanenten Provokationen des staatlichen Geiselnehmers Recep Tayyip Erdoğan reagieren will. Das ist erfreulich.

Die Zeit des Wartens, Bittens und Hoffens sollte endlich vorbei sein. Seit beinahe 160 Tagen sitzt unser Welt-Kollege Deniz Yücel unschuldig im türkischen Knast. Schon dieser Skandal dokumentiert: Die bisherige Politik der Bundesregierung gegenüber Erdoğan ist katastrophal gescheitert. Mit Hinterzimmerdiplomatie allein ist er schlicht nicht zur Einsicht zu bringen.

Seit dem Putschversuch vor einem Jahr baut der türkische Staatspräsident sein Land in rasantem Tempo in eine islamistische Diktatur um – aber die Bundesrepublik und die EU belassen es bislang bei zurückhaltenden Ermahnungen. Das ist ein Verrat an den zehntausenden politischen Gefangenen, ja an allen Demokraten in der Türkei. Wer dem Treiben des Despoten tatenlos zuschaut, macht sich mitschuldig. Schluss damit!

So begrüßenswert es ist, wenn die Bundesregierung nun „glasklare Ansagen und Erwartungen“ an Ankara formuliert: Das reicht nicht. Den klaren Worten haben entschlossene Taten zu folgen. Das autokratische AKP-Regime muss die Konsequenzen seines repressiven Handelns zu spüren bekommen – sonst wird es sich nicht bewegen.

Konkret heißt das: Die türkische Wirtschaft ist Erdoğans empfindliche Stelle, sie muss getroffen werden. Nicht nur dass sich Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion derzeit verbieten: Ebenso wäre es höchste Zeit, auch über Wirtschaftssanktionen nachzudenken. Eine Reisewarnung wäre schon mal ein Anfang. Alle Rüstungslieferungen an die Türkei umgehend einzustellen, sollte ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein. Solange die schwarz-rote Bundesregierung zu alledem nicht bereit ist, hat sie ein Glaubwürdigkeitsproblem.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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