Kommentar Genmais: Frohe Kunde, traurige Gestalt

Für Landwirtschaftministerin Ilse Aigner ist das Anbauverbot für den Genmais nur eine Einzelfallentscheidung. Sie traut sich nicht, eine grundsätzliche Stellungnahme abzugeben.

Gestern war ein großer Tag für die Gegner der grünen Gentechnik in Deutschland. All die Umweltverbände und Bürgerinitiativen, all die Imker, Insekten- und Vogelschützer samt den Verbrauchern, die sich für Gentechnik-freie Regionen einsetzen, haben Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner zu ihrem Verbot gezwungen. Die Basis der Ablehnung ist zu breit geworden und umfasst inzwischen auch die Wählerschaft der CSU. Ihrer eigenen Partei die Europawahlen im Juni zu vermasseln, das hat sich Aigner nicht getraut.

Dass sie ihre Entscheidung weder aus eigener Überzeugung noch wohlgemut getroffen hat, war ihr deutlich anzumerken. Ängstlich und unsicher hat die Ministerin gewirkt - und ängstlich und unsicher war auch ihre Begründung. Sie habe keine politische Entscheidung getroffen, hat die Politikerin Aigner mehrmals betont, sondern nur auf neue fachliche Erkenntnisse reagiert. Als ob über die Zukunft dieser Risikotechnologie anders als politisch zu entscheiden wäre.

Wie gentechnisch veränderte Pflanzen wirken, wenn sie lange Zeit und auf großen Flächen angebaut werden, sagt uns keine Studie, bevor wir den Anbau nicht zulassen. Dann aber können die Pflanzen nicht mehr aus der Natur entfernt und kann die Entscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden. Was es also zu entscheiden gilt, ist, ob wir die Chancen der Technik nutzen möchten, um mit den Risiken später schon irgendwie fertig zu werden - wie bei der Atomkraft vor einem halben Jahrhundert. Oder ob wir auf potenzielle Chancen verzichten, weil wir die Risiken schon jetzt für nicht tragbar halten. Diese Entscheidung ist genuin politisch, und keine Studie über Marienkäfer wird uns diese Entscheidung abnehmen. Und auch, ob die Landwirtschaft künftig die industriellen Strukturen annehmen soll, die die Gentechnik braucht und die sie bedingen, ist eine politische Entscheidung.

Es ist traurig, dass eine entscheidende Akteurin der Debatte, die Landwirtschaftsministerin, nicht bereit oder fähig ist, dazu Stellung zu beziehen. Solange allerdings eine stabile Mehrheit von Verbrauchern und Bürgern gegen die grüne Gentechnik mobil macht, sind immerhin die Ergebnisse ihrer Orientierungslosigkeit erfreulich.

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Jahrgang 72, schreibt über Rohstoffthemen, Chemie und gerne auch den Wald. (Mit-)Autorin verschiedener Bücher, zuletzt eine Stoffgeschichte über Seltene Erden.

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