Kommentar Gewerkschaftsgründung: Kraftloses Süppchen

Wenn der Mitarbeitervertretungsverband der Kirche glaubt, auf Augenhöhe mit Ver.di verhandeln zu können, nur weil er sich künftig "Gewerkschaft" nennt, ist das ein Irrglaube.

Das Positive vorweg: Es ist eine begrüßenswerte Entwicklung, wenn sich Mitarbeiter wegen schlechter Arbeitsbedingungen zusammenschließen wollen, um dann dem Arbeitgeber Kirche Zugeständnisse abzutrotzen. Wenn der Mitarbeitervertretungsverband (MVV) allerdings glaubt, auf "Augenhöhe" mit der Geschäftsführung verhandeln zu können, nur weil er - bislang bloßer "Verein" - sich künftig "Gewerkschaft" nennt, dann ist das: ein Irrglaube.

Das Problem ist der sogenannte "Dritte Weg", in dem kirchliche Verbände ihr eigenes Arbeitsrecht schaffen, in dem die Sozialpartnerschaft oberste Prämisse ist. Lange Zeit hat die Gewerkschaft Ver.di diesen Weg mitgemacht. Aber sie musste erkennen, dass dieser Weg ins Leere läuft. Deshalb hat Ver.di vielerorts diese paritätischen Kommissionen verlassen, in denen die Kirchenbosse stets das letzte Wort haben.

Dieser "Dritte Weg" mit seinen eigenständigen Arbeitsrechtsgrundsätzen ist nicht mehr zeitgemäß. Im März dieses Jahres erst entschied das Hamburger Arbeitsgericht, dass das grundgesetzlich garantierte Streik- und Tarifrecht auch in kirchlichen Einrichtungen Gültigkeit hat. Da erschien es aus Arbeitnehmersicht umso zielführender, wenn die MVV-Mitglieder eine existierende, in Konflikten erfahrene Gewerkschaft stärken würden, statt ihr eigenes, kraftloses Süppchen zu kochen.

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Jahrgang 1956, Seit 1983 bei der taz – zuerst bei der taz.hamburg und jetzt bei der taz.nord in Hamburg. Ressorts: Polizei, Justiz, Betrieb und Gewerkschaft. Schwerpunkte: Repression, progressive Bewegungen und Widerstand gegen Gentrifizierung

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