Kommentar Hebel beim Rettungsschirm: Planvolle Verdunklung

Wenn Merkel und Schäuble den Hebel beim Rettungsschirm wirklich planen, wäre dies eine harsche Brüskierung des Parlaments. Die Euro- und Politikskepsis wird so weiter steigen.

Die Bundesregierung verhält sich gerade nicht besser als ein halbseidener Versicherungsvertreter. Als Ende September erstmals Meldungen über einen "Hebel" beim Rettungsschirm auftauchten, tat Finanzminister Wolfgang Schäuble diese noch als haltlose Spekulation ab.

Jetzt mehren sich Hinweise, dass die Regierung genau dies erwägt, um das Volumen des Schirms zu vervielfachen. Die Abgeordneten des Bundestags müssen sich fühlen, als seien sie einem zweifelhaften Haustürgeschäft aufgesessen. Erst nach dem Kauf der Police - will heißen: nach der Abstimmung über den Rettungsschirm - erfahren sie, dass der Vertreter das Wichtigste verschwiegen hat.

Noch äußern sich Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel nicht offiziell dazu, ob sie den Hebel planen. Wenn sie es tun, wäre dies eine harsche Brüskierung des Parlaments. Denn die angedachten Modelle ändern die Geschäftsgrundlage erheblich. Durch sie steigt die Schlagkraft, aber auch das Risiko, also die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland seinen Anteil von 211 Milliarden Euro nicht mehr vollständig wiedersieht.

Und war da nicht was? Hat nicht die ganze Republik monatelang über ein Demokratiedefizit in Sachen Europa diskutiert? Wenn die Regierung den Abgeordneten eine solche Information vor der entscheidenden Abstimmung verschweigt, führt sie die versprochene stärkere Parlamentsbeteiligung ad absurdum.

Zumal das Motiv, den eigenen Laden vor dem Auseinanderfliegen zu bewahren, mehr als durchsichtig ist. Außerdem nimmt sie mit solch planvoller Verdunklung mutwillig in Kauf, dass die Europaskepsis in der Bevölkerung weiter steigt. Denn die speist sich vor allem aus Unwissen. Und aus dem Gefühl, im Unwissen gehalten zu werden.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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