Kommentar Karstadt: Es ist noch nicht alles verloren

Die Kaufhäuser werden weiter durch Online-Shops ersetzt. Nur die Edel- oder Ramschmarken können ihre klassisch begehbaren Läden halten.

Läden als Ladenhüter: Karstadt-Warenhaus in Düsseldorf Bild: dpa

Wer „Kahlschlag" schreit, sollte aufhören im Internet nach Schnäppchen zu jagen: Der Verkauf der „Filetstücke“ des Einzelhandelskonzerns ist nur ein weiterer Schritt im Zuge eines traurigen Umwandlungsprozesses.

Sie heißen Amazon, Zalando oder auch Ebay, zahlen in Deutschland gerne wenig Steuern – und ihren Mitarbeitern klammes Geld. Aber sie sind die Zukunft des Shopping. Es ist ein Drama für hunderttausende Beschäftigte im stationären Einzelhandel, aber viele ihrer Jobs sind nicht mehr sicher. E-Commerce kommt, weswegen ihre Zukunft wackelt. Einkaufen per Smartphone ist einfacher als verzweifelt nach der richtigen Hosengröße zu stöbern.

Karstadt spürt das schmerzlich: Erneut Millionenverluste im vergangenen Jahr, eine auch wetterbedingt desaströse Frühjahrssaison, der Multimediabereich musste geschrumpft werden. Warenhäuser waren jahrzehntelang wichtige Treffpunkte in vielen Fußgängerzonen, jetzt veröden sie, mit ihnen ihre zentral gelegenen Immobilien. Einzelhändler können derzeit mit Läden zum Reingehen kaum noch Wachstumraten erzielen: Gut gehen nur Ketten wie Primark, die ihre Sortimente megabillig verramschen – oder Markenläden wie die von Apple oder Ritter Sport.

Eine längere Halbwertszeit dürften auch Kaufhaustempel wie das KaDeWe in Berlin oder die 28 Sportfilialen von Karstadt haben. Deshalb wurden diese Teile des Karstadt-Konzerns jetzt auch mehrheitlich an einen Investor aus Österreich verkauft. Ob die „Filetstücke“ die neue Ära im Einzelhandel auch längerfristig überleben, ist trotzdem nicht ausgemacht. Vor allem dürften jetzt aber die 20.000 Mitarbeiter der restlichen 86 Warenhäuser des Karstadt-Konzerns bibbern.

Vor gut vier Jahren schlitterte die damalige Arcandor-Holding mit ihren Töchtern Karstadt und Quelle in die Insolvenz. Der Fürther Versandhändler ist bereits Geschichte, vielleicht verschwindet auch schon bald die 1881 in Wismar gegründete Traditionsmarke Karstadt. Der Investor und Eigentümer Nicolas Berggruen ist viel zu lange als Heilsbringer verklärt worden.

Die mit dem neuen Mehrheitseigner vereinbarte Investitionssumme von 300 Millionen Euro sollte Karstadt vorausschauend nutzen. Mittlerweile geht fast jeder zehnte Euro im Einzelhandel auf die Konten von „Distanzhändlern", 2012 verbuchten Online-Verkäufer ein Rekordwachstum von 15,6 Prozent.

Zwei Unternehmer aus Osnabrück haben es am Montag vorgemacht: Sie besitzen die Namensrechte der vor fünf Jahren verschiedenen Karstadt-Tochter Hertie. Und haben die Traditionsmarke jetzt wiederbelebt - als Online-Shop. Aber: Trotz Internet-Hype verdient der Einzelhandel noch 90 Prozent seines Umsatzes an echten Ladentheken. Also: Auch hier ist also nicht alles verloren – wenn das Konzept stimmt.

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Ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt. Er hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz.

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