Kommentar Kohls Eurokritik: Missmutiger Dinosaurier

Helmut Kohl kritisiert Merkels Europolitik ohne inhaltlich viel zu sagen. Damit bedient er nur das diffuse Gefühl der Euroskeptiker und begleicht alte Rechnungen.

Angela Merkel hat sich über den Rüffel ihres Vorgängers geärgert: Anders lässt es sich nicht deuten, dass die sonst wortkarge Kanzlerin Helmut Kohls Vorwürfe prompt konterte. Nach dem obligatorischen Verweis auf die Verdienste des Exkanzlers stellte sie kühl klar, jede Zeit habe "ihre spezifischen Herausforderungen."

Anders gesagt: Als Kohl mit deutschen Milliarden "sein" Europa schmiedete, gab es keine kollabierenden Banken, keine existenziellen Wirtschaftskrisen mit drohenden Staatsinsolvenzen - stattdessen das Versprechen auf gemeinsame Prosperität und goldene Zeiten.

Machtpolitisch ist der Exkanzler in der CDU zwar schon lange keine Größe mehr. Trotzdem schlägt seine Kritik in der verunsicherten Partei voll ein. Nicht nur weil die ihm ergebene Bild-Zeitung ihr ein breites Forum bietet.

Sondern weil sie ein diffuses Gefühl bedient. In den vagen Andeutungen des großen Alten können sich all jene wiederfinden, die am Merkel-Kurs ein wachsendes Unbehagen empfinden - Konservative, die das C vermissen; Euroskeptiker, die nicht für Griechen zahlen wollen; und Marktliberale, die auf Ordnungspolitik pochen. Ihnen allen dient Kohl als Projektionsfläche. Für sie alle verkörpert der Dinosaurier aus Oggersheim die gute, alte Zeit, in der die konservative Welt noch in Ordnung schien.

Eine Idee, wie es anders laufen sollte, haben die meisten von ihnen nicht. Das haben sie mit dem Exkanzler gemeinsam. Seine langen, vor Selbstlob strotzenden Einlassungen sind inhaltlich mager. Er mahnt Werte, Berechenbarkeit und einen Kompass an, ohne zu sagen, was er damit meint.

Wäre Kohl vielleicht an der Seite der Nato-Partner in den Krieg nach Libyen gezogen? Wohl kaum. Würde er Griechenland aus der Eurozone ausschließen und das Ende des Euro riskieren? Unwahrscheinlich. Oder würde er Eurobonds auflegen? Kohl sagt es nicht.

Stattdessen begleicht er alte Rechnungen mit Merkel, die ihn nach der Schwarzgeldaffäre fallen ließ. Das hat er ihr nie verziehen.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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