Kommentar Neuwiedenthal-Prozess: Hartnäckigkeit verdient Lob

Die Kammer - allen voran die drei Berufsrichterinnen - hat sich in diesem Verfahren nicht vom öffentlichen Druck und der medialen Vorverurteilung beeinflussen lassen oder sich ihr gar gebeugt.

Das Gericht hat entschieden. Die drei Berufsrichterinnen der Großen Strafkammer 28 des Hamburger Landgerichts haben den Haftbefehl gegen Amor S. aufgehoben und eine Richtungsentscheidung getroffen. Sie haben ihn zwar nicht gänzlich von jedem Verdacht entlastet, aber zum Ausdruck gebracht, dass sie Zweifel an den Anschuldigungen des Hauptzeugen haben.

Was jedoch noch wichtiger ist: Die Kammer - allen voran die drei Berufsrichterinnen - hat sich in diesem Verfahren nicht vom öffentlichen Druck und der medialen Vorverurteilung beeinflussen lassen oder sich ihr gar gebeugt. Denn für die Boulevardmedien, dem damaligen CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus und den Polizeigewerkschaften war am ersten Tag klar: Eine Horde von gewalttätigen Neuwiedenthalern mit Migrationshintergrund - "entartete Südländer", wie es im Funkprotokoll hieß - sind über korrekte und pflichtbewusste Schutzmänner hergefallen - allen voran der vorbestrafte Amor S. Dass die Polizei auch völlig ausgerastet ist, blieb ausgeblendet.

Das hat das Gericht nicht mitgemacht: Akribisch hat es durch seine fast schon penetrante Zeugenbefragung - die dem Beobachter teilweise Nerven abverlangte - versucht, Licht in das Dunkel zu bringen und die Ungereimtheiten ans Tageslicht zu fördern. Und das ist diesem Gericht gelungen, trotz des andauernden Sperrfeuer von Bild & Co. Und das verdient Respekt.

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Jahrgang 1956, Seit 1983 bei der taz – zuerst bei der taz.hamburg und jetzt bei der taz.nord in Hamburg. Ressorts: Polizei, Justiz, Betrieb und Gewerkschaft. Schwerpunkte: Repression, progressive Bewegungen und Widerstand gegen Gentrifizierung

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