Kommentar Personalkarussell nach Brexit: Großbritanniens Powerfrauen

Bei den Tories, bei Labour und in Schottland werden wohl Frauen nach der Brexit-Verwüstung aufräumen. Vielleicht bleiben sie danach auch.

Theresa May im Porträt

Wird sie die nächste Premierministerin? Theresa May Foto: dpa

Die Kerle haben es versemmelt, jetzt müssen die Frauen ran. So könnte man die aktuelle Lage in den beiden größten britischen Parteien eine Woche nach demBrexit zusammenfassen. Sowohl konservative Tories als auch linke Labour Party sind tief zerstritten – und demoralisiert wie seit Jahren nicht. Im Angesicht der Verwüstung erwägen beide Männerclubs sogar unkonventionelle Lösungen: Warum nicht eine Frau?

Für Tory-Innenministerin Theresa May ist es ein Glück, dass sich Boris Johnson, ewiger Rivale von Noch-Premier David Cameron, nach seinem Brexit-Eiertanz – erst anheizen, nachher kneifen – aufgegeben hat. Jetzt kann May, die nur diskret als Befürworterin eines EU-Verbleibs aufgetreten ist, beweisen, was sie kann. Am gestrigen Donnerstag hat sie offiziell ihre Kandidatur für den Parteivorsitz verkündet. Würde sie es schaffen, wäre sie die zweite Frau an der Spitze der Konservativen seit Margaret Thatcher.

Auch bei Labour könnte es bald so weit sein. Während der amtierende Chef Jeremy Corbyn sich auch nach einem deutlichen Misstrauensvotum seiner Fraktion am Sitz festkrallt, herrscht in seiner Partei Stimmung wie im Nordirlandkrieg: Die ideologischen Grabenkämpfe zu beenden wird eine langwierige und undankbare Aufgabe.

In vergleichbar schwierigen Situationen durften in der britischen Arbeiterpartei, sonst ein Bollwerk der Männlichkeit, schon zwei Mal Frauen übernehmen: 1994 schloss Margaret Beckett kommissarisch drei Monate lang die Lücke – dann kam Tony Blair. Harriet Harman bereitete erst Ed Miliband den Weg an die Parteispitze und fünf Jahre später dann Jeremy Corbyn. Jetzt, wo Corbyn wackelt, kann sich Angela Eagle, Ministerin in den Regierungen von Blair und Brown, Chancen ausrechnen.

Die Parteigranden, die derzeit so generös ihre Kolleginnen aus der zweiten Reihe nach vorn holen, planen bestimmt schon insgeheim ihr Comeback für die Zeit danach, wenn dank einer fleißigen Kollegin wieder Stabilität eingekehrt ist. Doch sollten sie sich nicht zu früh freuen.

Die Zeit der Polit-Trümmerfrauen, die nach erfolgreichem Wiederaufbau den Männern das Ruder überlassen, ist vorbei, wie ein prominentes Beispiel zeigt: Auch Angela Merkel nutzte einst das Chaos nach 16 Jahren Kohl und Partei­spendenaffäre. Sie räumte den Laden auf – und regiert Deutschland seit 11 Jahren.

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Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.

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