Kommentar Polizei im Fall Anis Amri: Eigentümliche Untätigkeit

Das Berliner LKA hat im Fall Amri getarnt, getrickst und getäuscht. Es bleiben Fragen über Fragen. Nun muss aufgeklärt werden.

Ein Mann, Andreas Geisel

Hat Strafanzeige gegen Beamte des Berliner Landeskriminalamtes erstattet: Innensenator Andreas Geisel Foto: dpa

Wer bisher noch einen Zweifel daran hatte, dürfte spätestens jetzt überzeugt sein: Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz wäre verhinderbar gewesen – wenn die deutschen Behörden nur ordentlich ihre Arbeit getan hätten.

Stattdessen haben sie getarnt, getrickst und getäuscht, um ihre eigentümliche Untätigkeit zu vertuschen. Dass nun der Berliner Innensenator Andreas Geisel Strafanzeige gegen Beamte des Berliner Landeskriminalamtes wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt und Falschbeurkundung gestellt hat, ist zwar ein ungewöhnlicher, aber richtiger Schritt. Und ein dringend erforderliches Zeichen.

Ein halbes Jahr nach dem Anschlag sind die Fragen, wie es zu der schrecklichen Tat kommen konnte, bei der zwölf Menschen ihr Leben verloren und 67 verletzt wurden, größer und nicht kleiner geworden.

Wie war es möglich, dass jemand, der schon frühzeitig als islamistischer Gefährder auf dem Radar der Sicherheitsbehörden aufgetaucht ist, nicht aus dem Verkehr gezogen wurde, bevor es zu spät war? Die bisher gelieferten Antworten wirken allesamt nicht überzeugend. Waren es wirklich nur Schlampereien und Fehleinschätzungen?

Wenn sich tatsächlich – wie behauptet – die Gefährlichkeit von Amri nach monatelanger Observation nicht hat so einstufen lassen, dass nach dem polizeilichen Gefahrenabwehrrecht gegen ihn hätte vorgegangen werden können: Warum wurde dann nicht einfach nach dem „Al-Capone-Prinzip“ gehandelt?

Gefährliche Körperverletzung, besonders schwerer Diebstahl, Leistungsbetrug, Urkundenfälschung, unerlaubter Aufenthalt oder gewerbs- und bandenmäßiger Drogenhandel: Amri bot genug Gelegenheiten. Sie wurden allesamt nicht genutzt.

Warum nicht? Die Angehörigen der Opfer und die Öffentlichkeit haben einen Anspruch auf schonungslose Aufklärung. Alles andere zerstört das Vertrauen in die staatlichen Institutionen und den Rechtsstaat.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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