Kommentar Proteste in Polen: Durchregieren? Fehlanzeige!

Da hat sich der PiS-Chef verrechnet: Schnell mal demokratische Grundrechte aushebeln; ein Teil der polnischen Bevölkerung macht da nicht mehr mit.

Demonstrant hält ein Schild mit „PiSlam Stop“ hoch.

Die Opposition geht zur Verteidigung der Grundrechte auf die Straße Foto: dpa

PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński hat die Rechnung offensichtlich ohne einen wachsenden Teil der polnischen Bevölkerung gemacht. Mal eben so durchregieren und dabei im Schnelldurchlauf den Rechtsstaat, demokratische Grundrechte und die Gewaltenteilung aushebeln? Von wegen!

Anders als in Ungarn, wo vor allem jüngere Menschen den autoritären Kurs eines Viktor Orbán allenfalls mit einem Verlassen des Landes quittier(t)en, haben am Samstag fast eine Viertelmillion Polen in Warschau eindrucksvoll eins zum Ausdruck gebracht: dass sie nicht bereit sind, tatenlos zuzusehen, wie eine selbstherrliche Regierung die Uhren auf null zurückstellt und das Land politisch an den Rand Europas manövriert.

Diese Sorgen sind nur allzu berechtigt. Nach der „Enthauptung“ des Verfassungsgerichts wurden die Medien auf Linie gebracht und die Überwachungsmöglichkeiten der Polizei ausgeweitet. In der vergangenen Woche musste auch noch der von der Vorgängerregierung geschaffene nationale Rat zum Kampf gegen Rassismus dran glauben. Und das in einem Land, in dem die Regierung in der Flüchtlingsfrage Ressentiments und Ängste der Menschen gezielt schürt und die Anzahl fremdenfeindlicher Verbrechen rapide gestiegen ist.

In ihrem Handeln haben sich Kaczyński und seine Leute stets mit einer Kaltschnäuzigkeit über Kritik der Europäischen Union und des Europarates hinweggesetzt, die ihresgleichen sucht. Doch einmal abgesehen davon, dass die Demonstration vom Samstag die größte seit dem Ende des Kommunismus ist: Die Frage ist, wie nachhaltig die Bündelung der oppositionellen Kräfte ist, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Nur anti PiS zu sein reicht nicht. Das gilt insbesondere für die linken Kräfte, die es seit Jahren nicht schaffen, sich neu zu formieren und wieder auf die Füße zu kommen. Jarosław Kaczyński sollte gewarnt sein. Noch sieht er keinen Anlass zur Sorge. Doch das könnte sich als gefährlicher Trugschluss erweisen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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