Kommentar Renten für Ghetto-Insassen: 90 Prozent Ablehnung

Der Große Senat des Bundessozialgerichts hat mit der Weigerung, sich mit strittigen Rechtsfragen zu den Ghettorenten zu beschäftigen, eine ziemlich bequeme Entscheidung gefällt.

Der Große Senat des Bundessozialgerichts hat mit der Weigerung, sich mit strittigen Rechtsfragen zu den Ghettorenten zu beschäftigen, eine ziemlich bequeme Entscheidung gefällt. Das Gericht argumentierte, dass die ihm vorgelegten Rechtsfragen für den Entscheid des Urteils zur Rentengewährung ohne Belang seien, da die Klage unter keinen Umständen eine Chance gehabt hätte. Der Große Senat hätte also gar nicht anders gekonnt, als die Vorlage als unzulässig zurückzuweisen.

Den versierten Richtern wäre es nicht allzu schwer geworden, dennoch auf die umstrittene Rechtsmaterie einzugehen. Im Wesentlichen ging es um die Problematik, was unter einem "freiwilligen" Arbeitsverhältnis unter Ghettobedingungen zu verstehen sei. Denn nur ein solches Arbeitsverhältnis konnte einen Rentenanspruch begründen, während Zwangsarbeiter auf den (mittlerweile abgeschlossenen) Entschädigungsfonds verwiesen wurden. Was sollten die Kriterien für "Freiwilligkeit" sein, wie musste insbesondere das Entgelt für geleistete Arbeit definiert werden? Es waren die Abgrenzungs- und Definitionsfragen, auf deren rasche Beantwortung angesichts sich widersprechender Gerichtsurteile die hochbetagten Kläger angewiesen sind.

Als zentrales Problem der Urteilstätigkeit zu den Ghettorenten stellte sich heraus, dass die Sozialgerichte oft nur über schematische Kenntnisse der historischen Wirklichkeit im Ghetto verfügten, sodass sie die "Freiwilligkeit" einer Arbeitsaufnahme im Ghetto grundsätzlich verneinten, statt solche Arbeitsverhältnisse unter Ghettobedingungen konkret zu untersuchen. Unklarheiten in diesen zentralen Fragen führten dazu, dass die Sozialgerichte bei ähnlichen Sachverhalten unterschiedlich urteilten. Als Hauptmanko aber stellte sich heraus, dass die Entscheidungen nach Lage der Akten gefällt wurden, also den KlägerInnen keine Möglichkeit gegeben wurde, ihre damalige Lage zu erklären. So wie die Dinge jetzt liegen, wird es wohl bei Ablehnungsquoten von über 90 Prozent für die Antragsteller von Ghettorenten bleiben.

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