Kommentar Sexismusdebatte in der CDU: Futter für Männerfantasien

Eine junge Frau skandalisiert Sexismus in der CDU und wird nun von Parteikolleginnen diffamiert. So stärken diese die sexistischen Strukturen.

Ein Frauenteam in roten Poloshirts beim Tauziehen

Gemeinsam sind sie stark Foto: dpa

Eine junge Frau, Jenna Behrends, 26 Jahre, alleinerziehend, schreibt in einem offenen Brief, dass Männer in der CDU, namentlich der Berliner Parteivorsitzende Frank Henkel, sexistische Sprüche draufhaben. Wie ein Buschfeuer rast diese Nachricht durch die Medien. Ah, Henkel, oh, Henkel. Er soll Sätze gesagt haben, die nahelegen, dass Frauen sich in Männerklubs wie der CDU hochschlafen. Die Neuigkeit wird weitergereicht, alle haben etwas dazu zu sagen. Der Skandal zeige die Krise der CDU.

Halt, eine Frage: Gibt es irgendjemand in dieser Republik, der auch nur eine Sekunde lang glaubte, dass Männer in der CDU nicht zu sexistischen Sprüchen fähig seien? Und was ist mit der CSU, der SPD, überhaupt allen Parteien? Die FDP ist seit der Brüderle-Sache sexistisch geoutet. Und dass die AfDler keine Gleichheitsgedanken – auch nicht in Bezug auf die Geschlechter – wertschätzen, das gibt ihr Grundsatzprogramm vor. Die AfD punktet mit Maskulinismus, AfDlerinnen ziehen mit, und die etablierten Parteien sehen sich außerstande, die zivilisatorischen Errungenschaften, die bis zu ihnen gedrungen sind, öffentlich zu verteidigen. Darunter die Erkenntnis, dass Frauen gleich zu behandeln sind.

Die CDU ist ja nicht einmal in der Lage, Angela Merkel, die von den Rechten äußerst schlimm – auch in sexualisierter Tonlage – als Mutti oder Domina beschimpft wird, öffentlich zu verteidigen. Im Gegenteil, die CSU-Schwesterpartei facht den Hass auf die Bundeskanzlerin sogar mit an. Auch das zeigt die sexistischen Strukturen bei den Christdemokraten. Jetzt hat also eine junge Frau den Sexismus in der CDU öffentlich gemacht.

Sie ist mutig, vielleicht auch naiv. Sie hätte sich beraten lassen sollen, wie man so etwas anstellt, damit es nicht als Bumerang zurückkommt. Naiv ist sie auch, weil sie ihren Einzug in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Berliner Bezirk Mitte für eine Karrierechance hält.

„Hochschlafen braucht sich dafür niemand“

In der BVV, einem ehrenamtlichen Feierabendparlament – mit Sitzungsgeldern bekommt sie vielleicht 500 Euro Aufwandsentschädigung –, kann sie erleben, mit welchen Fallen im Parlamentarismus gearbeitet wird und dass Platzhirsche Jüngeren sehr ungern klarmachen, was man in einer BVV tun muss. Beispielsweise die Haushaltspläne des Bezirks durchforsten, um überhaupt noch gestaltenden Spielraum zu finden in der Kommunalpolitik, die finanziell ausgeblutet ist.

Wie auch immer, Bezirksverordnete ist ein Scheißjob – hochschlafen braucht sich niemand dafür. Nicht mal als Frau. Wenn Henkel das doch so gesagt hat, zeigt es, dass er das Politikersein nicht mehr als Arbeit im Dienst an der Allgemeinheit sieht, in der Überzeugungen zum Wohl der Gemeinschaft eingebracht werden, sondern als Arbeit zum Wohl am Ich. Die Erodierung der Politik wird daran deutlich. Das ist der wirkliche Skandal.

Nun aber geht diese Geschichte in eine zweite Runde, denn zwei Frauen der Frauen-Union diffamieren die junge Frau, die den Sexismus anprangerte, jetzt als Lügnerin, als Schlampe. Schon sind die Medien erneut zur Stelle, denn wo eine Geschichte schmutzig wird, erhöht das die Einschaltquote. Von Stutenbissigkeit ist die Rede.

„Indem sie Jenna Behrends als unglaubwürdig denunzieren, verteidigen sie den Sexismus der Männer“

Plötzlich geht es nicht mehr um den Sexismus der Männer, sondern um den Neid der Frauen. Das entlastet. Wen? Die Männer. Streitende Frauen – das ist Futter für Männerfantasien. Dabei zeigt dieser Angriff der beiden nur wenig älteren CDU-Damen doch nur eins: Indem sie Jenna Behrends als unglaubwürdig denunzieren, verteidigen sie den Sexismus der Männer in der CDU und stabilisieren ein männerdominiertes und korrumpiertes System.

Selten indes wird von der relationalen Aggression, zu der Männer fähig sind, gesprochen. Dabei sagt die unausgesprochene Antwort auf folgende Frage doch genau, um was es gibt: Hat die junge Frau jetzt noch eine Chance, in der CDU etwas zu werden? Wenn nicht, woran liegt’s?

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Seit 2002 bei der taz, erst im Lokalteil, jetzt in der Wochentaz. 2005 mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet für die Reportage „Schön ist das nicht“, 2011 wurde die Reportage „Die Extraklasse“  mehrfach prämiert. 2021 erschien ihr Roman "Brombeerkind" im Ulrike Helmer Verlag. Es ist ein Hoffnungsroman. Mehr unter: www.waltraud-schwab.de . Auch auf Twitter. Und auf Instagram unter: wa_wab.un_art

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