Kommentar Steuersenkung: Deutschlands verlogene Sparkönige

Die Bundesregierung fordert brutale Einsparungen bei anderen Ländern, will aber im eigenen Land Steuern für Besserverdiener senken. Das ist unverantwortlicher Unfug.

Eigentlich müssten die Spitzenleute von Union und FDP sofort einen Brief an alle rot-grünen Landesregierungen schicken. Und sich herzlich dafür bedanken, dass diese die schwarz-gelbe Steuerreform und die Kappung der Solarförderung im Bundesrat gestoppt haben. Denn beides konterkariert alle Attribute, mit denen sich Union und FDP gern schmücken. Rot-Grün rettet also, wenn man so will, Schwarz-Gelb vor zwei bemerkenswerten Inkonsequenzen.

Sowohl Union als auch FDP pflegen das Narrativ, im Gegensatz zur schuldenfixierten Linken seriös zu wirtschaften und sorgsam mit dem Staatshaushalt umzugehen. Von dieser Erzählung leben nicht nur die Europapolitik der Kanzlerin, sondern auch die Wahlkämpfe von Christian Lindner und Norbert Röttgen in Nordrhein-Westfalen. Der jetzt abgelehnte Plan, eine milliardenschwere Steuersenkung ohne Gegenfinanzierung vorzunehmen, belegt, wie verlogen beide Parteien hier agieren.

Diese Regierung zwingt Staaten wie Griechenland brutal zum Sparen, will aber im eigenen Land auf Pump Bezieher mittlerer und hoher Einkommen begünstigen. Das ist keine konsistente Politik, sondern unverantwortlicher Unfug. Zumindest solange sich Schwarz-Gelb weigert, im Gegenzug Spitzenverdiener stärker zu belasten. Gerade Lindner und Röttgen, die angeblichen Sparkönige von NRW, sollten wissen, dass ihre eigene Reform das Land jährlich 400 Millionen Euro, die Kommunen 150 Millionen kosten würde.

Ähnlich kontraproduktiv für das schwarz-gelbe Image ist es, die Solarförderung zu beschneiden. Beide Parteien nehmen für sich in Anspruch, die beste Industriepolitik zu machen. Doch die planlose Subventionskürzung hätte Tausende Jobs gefährdet. Und wer behauptet, die Energiewende voranzutreiben, darf nicht eine Zukunftsbranche schwächen. Wegen solcher Irrationalitäten haben selbst CDU-Ministerpräsidenten gegen den Plan gestimmt. Für Röttgen ist das eine neue Demütigung. Und vermutlich nicht die letzte.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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