Kommentar USA und Kurden in Syrien: Der schlechtere Anwalt

Die Kurden waren den USA im Syrien-Krieg lange nützlich. Nun nicht mehr. Obama hat sich mit der Türkei einen neuen Bündnispartner gesucht.

Männer mit einer Fahne der kurdischen YPG

Von den USA alleingelassen: syrische Kurden. Foto: dpa

Auf Europa mögen sich die Kurden nicht verlassen. Die Europäische Union behält sich zwar vor, die Türkei in Sachen EU-Beitritt in der Warteposition zu belassen. Die Europäer sind in Hinblick auf die Flüchtlingskrise jedoch auf Ankara angewiesen. Der türkische Präsident Erdoğan könnte jederzeit den Flüchtlingsdeal platzen lassen – trotz eigener Nachteile.

Deshalb also die Vereinigten Staaten. „Es ist das Land, das die besten Ergebnisse erzielen kann“, sagte in diesem Jahr Osman Baydemir, Abgeordneter der prokurdischen HDP, bei einer politischen Rundreise in Washington. Trotz ihrer komplizierten Strategie sei die Regierung Obama der bestmögliche Advokat kurdischer Interessen. Das war im Februar.

Wie es jetzt aussieht, sind die Kurden wieder ganz auf sich allein gestellt. Die Türkei ist im Syrienkonflikt der weitaus wichtigere Verbündete für die USA. Wenn Erdoğan seine Bereitschaft zeigt, mit Bodentruppen einzugreifen, dann haben die Kurden weitgehend ausgedient. In diesem Krieg gibt es keine selbstlosen Spieler.

Konfrontiert mit der Partnerschaft zwischen dem Assad-Regime und Russland kann es sich US-Präsident Obama gar nicht leisten, auf den mächtigen Nato-Partner Türkei zu verzichten. Und jetzt macht Erdoğan das, was in den USA nicht durchsetzbar ist: „No boots on the ground“ (Keine Bodentruppen) ist in den Vereinigten Staaten nach Afghanistan und dem Irakkrieg derzeit unantastbar. Ohne Bodentruppen aber ist der Krieg gegen den IS nicht zu gewinnen.

Die USA haben an den Kurden ein strategisches Interesse, keine normative Verpflichtung

Die USA haben an den Kurden ein ausschließlich strategisches Interesse, keine normative Verpflichtung. Im Syrien-Konflikt hofieren Obama und US-Außenminister John Kerry schließlich auch das saudische Herrscherhaus in unkritischster Weise. Über die Kurdenfrage kann aus US-Sicht die Weltgeschichte hinwegsehen. Am Schluss könnten die EU-Staaten womöglich doch der bessere Anwalt kurdischer Interessen sein.

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taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.

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