Kommentar Wikileaks: Alles muss raus

Der Niedergang einer guten Idee: Die Whistleblower von Wikileaks um Julian Assange entfernen sich immer weiter von ihren Idealen.

Eine Frau vor der ecuadorianischen Botschaft in London

Da wird das Blickfeld schnell eng: die ecuadorianische Botschaft in London, in der Assange weilt Foto: reuters

Schön blöd für Julian Assange: Auf die jüngsten Veröffentlichungen seiner Plattform Wikilekas springt – mangels politischer Relevanz – kaum jemand an. Dafür muss er sich jetzt mit der Presse rumärgern: Die Nachrichtenagentur AP wirft Wikileaks in dieser Woche vor, in Leaks der letzten Zeit sensible Informa­tio­nen über Privatpersonen nicht geschwärzt zu haben.

Darunter – vor allem bei Veröffentlichungen aus Saudi-Arabien – Berichte über Vergewaltigung und Homosexualität, über HIV-Erkrankungen, den Jungfrauenstatus zukünftiger Bräute und Sorgerechtsstreitigkeiten. Vorwürfe, die Wikileaks in seinem Twitter-Account als „lächerlich“ abtat. Ohne sie inhaltlich zu entkräften.

Wikileaks, das war einmal eine Plattform, die in ihren besten Tage die Mächtigen der Welt ordentlich ins Schwitzen brachte. Wikileaks, das war einmal der Traum von Transparenz, die die Welt verändern könnte. Zum Besseren.

Heute ist Wikileaks eher ein Beispiel für den Niedergang einer guten Idee. Als Posterboy der einst hehren Ziele von Wikileaks sitzt Julian Assange seit vier Jahren in einem Zimmerchen in der ecuadorianischen Botschaft in London. Von dort aus zieht er nach Kräften alle Fäden, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Ist doch Öffentlichkeit das, was ihn noch am besten schützt.

So befeuert er munter Verschwörungsplots und scheint inzwischen hastig und wahllos alle Dokumente rauszuhauen, deren er habhaft werden kann. Ob es nun um Material geht, das Hillary Clinton schaden soll, oder um belanglose AKP-Mails, die im Übrigen auch noch Malware auf die Rechner derer streuten, die sie lasen.

Je weniger sich Wikileaks darum schert, welche Kollateralschäden seine Veröffentlichungen anrichten, desto hohler klingen die Phrasen von den einstigen Zielen der Organisation.

Schon in besseren Tagen glänzte Wikileaks nicht gerade mit sorgfältigem Redigieren seiner gigantischen Quellenhaufen. Nur kommt eben mit großen, angeblich wichtigen Datenhaufen immer auch große Verantwortung. Je weniger sich Wikileaks ­darum schert, welche Kollateralschäden seine Veröffentlichungen anrichten, desto hohler klingen die Phrasen von den einstigen Zielen der Organisation.

Je nötiger es aber für Assange wird, im Gespräch zu bleiben, desto mehr wird Wikileaks zum PR-Organ. Zur Selbstverteidigungsplattform eines einzigen Mannes. Zulasten derer, die den Luxus der Popularität nicht genießen.

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