Kommentar europäischer Flüchtlingsstreit: Solidarität mit der Lega Nord?

Dass Innenminister Friedrich die Flüchtlingsfrage Italien überlassen will, ist ein europäischer Skandal. Aber die Verantwortung für den Streit liegt in Italien selbst.

Noch zum Abschluss des EU-Innenministergipfels am Montagabend tönte Italiens Innenminister Roberto Maroni, Italien müsse den Abschied von einem Europa erwägen, das sich völlig unsolidarisch gezeigt habe. Just zur gleichen Stunde wurde in Italien endlich ein Plan vorgelegt, der die Verteilung der Flüchtlinge auf alle Regionen des Landes festlegt. Denn eben jene recht einfache Übung war Minister Maroni in den letzten zwei Monaten nicht geglückt.

Dass sich der Politiker der Lega Nord jetzt lauthals darüber beschwert, vor allem von Frankreich und Deutschland mit den Flüchtlingen alleingelassen worden zu sein, ist bemerkenswert. Wenn ihm der Berliner Ressortkollege Hans-Peter Friedrich dazu bloß ein "dein Problem!" entgegenschleudert, dann ist das in der Tat ein europäischer Skandal. Nur hatte Friedrich dafür ausgerechnet aus Italien in den letzten Wochen gute Vorbilder geliefert bekommen.

Es waren just Italiens reichste Regionen - die Lombardei, Piemont, der Veneto -, die sich hartnäckig geweigert hatten, auch nur einen Flüchtling bei sich zu beherbergen. In all diesen Regionen ist Maronis fremdenfeindlich-populistische Lega Nord an der Regierung, im Piemont und dem Veneto stellt sie gar die Regionspräsidenten. Und die wollte sich den Kommunalwahlkampf dieses Frühjahrs eben nicht durch praktizierte Solidarität gegenüber jenen Ausländern versauen, die der Lega sonst immer bloß als Sündenböcke willkommen sind.

ist Italien-Korrespondent der taz und lebt in Rom.

Am Ende schrumpfte Maronis Verlangen an Europa darauf zusammen, die EU solle weniger mit Italien als mit der fremdenfeindlichen Lega Nord solidarisch sein - die europäischen Nachbarn sollten jene Anstrengung der Solidarität aufbringen, zu der die Lega weder willens noch fähig ist. Deshalb muss Italiens Regierung sich selbst das Gros der Verantwortung dafür zuschreiben, dass die Diskussion über eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik schon im Ansatz stecken geblieben ist.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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