Kommt der Bahnstreik?: Nächste Tarifrunde mit Bahn und GDL

Bei der Bahn steht der nächste Arbeitskampf an – mit der Lokführergewerkschaft GDL. Die Bahn bietet zum Auftakt der Verhandlungen 11 Prozent mehr Lohn.

Drei Männer mit GDL-Westen sitzen auf einer Bank mit dem Rücken zu den Zuschauern

GDL-Gewerkschafter: Bereit zum Arbeitskampf? Foto: Marijan Murat/dpa

BERLIN taz/dpa | Viele Fahrgäste dürften sich noch erinnern: Gerade mal drei Monate ist es her, dass sich die Deutsche Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) nach zähen Verhandlungswochen und einer Schlichtung auf einen Tarifkompromiss einigten. Zweimal legte die EVG seinerzeit per Warnstreik den Bahnverkehr in Deutschland lahm. Nun müssen Kundinnen und Kunden wieder bangen, ob ihre Züge fahren. An diesem Donnerstag beginnt die nächste Tarifrunde bei der Bahn, dieses Mal mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) unter ihrem Chef Claus Weselsky. Die GDL ist zwar die weit kleinere Bahngewerkschaft, einfacher macht das die Verhandlungen aber nicht.

Drohen bald wieder Streiks und Stillstand auf der Schiene?

Ja, Fahrgäste müssen sich darauf einstellen, dass die GDL zügig in den Arbeitskampf geht. Weselsky hat bereits angekündigt, sich nicht lange mit Warnstreiks aufhalten zu wollen, für die es enge Vorgaben gibt. Er setzt auf eine rasche Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern, um unbefristete Streiks realisieren zu können. Konkret kündigte die GDL noch keine Aktionen an. Aber Weselsky hat bislang stets betont, dass auch die Feiertage über Weihnachten nicht tabu sind für Arbeitskämpfe.

Der Fahrgastverband Pro Bahn rief die Gewerkschaft bereits zur Besinnung auf: „Die GDL sollte sich hüten, Millionen Menschen das Weihnachts- und Silvesterfest durch Streiks zu verderben“, sagte der Verbandsvorsitzende Detlef Neuß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wenn zu den weihnachtlichen Familientreffen keine Züge fahren, wäre das eine extreme Belastung für sehr viele Menschen.“

Die GDL hat zwar deutlich weniger Mitglieder als die EVG. Doch sie vertritt traditionell vor allem die Lokführer und das Zugpersonal. Wenn sie streiken, fahren auch keine Züge. Die Gewerkschaft hat in früheren Tarifrunden oft bewiesen, auch über längere Zeit den Bahnverkehr bundesweit vollständig lahmlegen zu können.

Worum wird gestritten?

Die Gewerkschaft fordert 555 Euro mehr pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro – abzüglich eines bereits gezahlten Teils dieser steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Als Knackpunkt der Verhandlungen gilt aber vor allem die Forderung, die Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich abzusenken. Weselsky will damit eigenen Aussagen zufolge die Attraktivität des Berufs angesichts des flächendeckenden Fachkräftemangels erhöhen.

„Wir haben zu wenig Lokführer, zu wenig Zugbegleiter, jetzt zu wenig Fahrdienstleiter, zu wenig Werkstattmitarbeiter“, sagte der GDL-Chef vor wenigen Wochen der Deutschen Presse Agentur. Das liege nicht am demografischen Wandel. „Sondern es ist die Unattraktivität der Berufe, der Tätigkeiten, die im Eisenbahnsystem nun mal 24 Stunden, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr laufen.“

Was bietet die Bahn?

Die Bahn hat die GDL-Forderungen bereits als „unerfüllbar“ zurückgewiesen. „Wenn wir das vollumfänglich umsetzen würden, müssten wir im Schichtdienst rund 10.000 Mitarbeiter zusätzlich einstellen“, sagte Personalvorstand Martin Seiler kürzlich in Berlin.

Zum Auftakt der Gespräche am Donnerstag hat die Hand ausgestreckt und ein Angebot vorgelegt. Demnach bietet die Bahn 11 Prozent mehr Lohn sowie eine Inflationsprämie von bis zu 2.850 Euro an, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Eine Vier-Tage-Woche mit 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich – eine der Kernforderungen der GDL – sei hingegen der „falsche Weg“.

Gibt es weitere Knackpunkte?

Ja. Wie schon bei vergangenen Tarifrunden der GDL ist dieser Konflikt geprägt von der Debatte um das sogenannte Tarifeinheitsgesetz. Es sieht vor, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung umgesetzt wird. Bei den rund 300 Betrieben der Deutschen Bahn ist das in der Regel die EVG.

In lediglich 18 Bahn-Unternehmen kommen derzeit die GDL-Verträge zur Anwendung. Doch aus Sicht der Lokführergewerkschaft gibt es kein gesichertes Feststellungsverfahren der Mitgliederzahl in den jeweiligen Betrieben. Sie klagt deshalb in mehreren Verfahren gegen die Festlegungen des Konzerns, bei einigen bereits in letzter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht.

Die GDL ist deshalb darum bemüht, ihren Einflussbereich bei der Bahn auszuweiten. In dieser Tarifrunde will sie auch für die Beschäftigten der Infrastruktursparte verhandeln. Die Bahn lehnt das ab. Bislang hat die GDL dort keine eigenen Tarifverträge.

Was hat es mit der neuen Genossenschaft der GDL auf sich?

Auch mit Blick auf das Tarifeinheitsgesetz hat die Gewerkschaft im Sommer angekündigt, eine eigene Leihfirma in Form einer Genossenschaft gründen zu wollen. Laut Weselsky ist das bereits geschehen. Derzeit liefen Einstellungsgespräche, betonte er kürzlich. Die Beschäftigten dieser Firma könnten nun zu GDL-Konditionen an die Bahn ausgeliehen werden. Auf diese Weise könnten auch in den Betrieben die GDL-Tarifverträge angewendet werden, in denen eigentlich die EVG eine Mehrheit unter den Beschäftigten hat.

Denn die Genossenschaft handelt ihre Tarifverträge nicht mit der Bahn aus, sondern mit der GDL. Ein entsprechender Haustarifvertrag sei bereits vereinbart worden, sagte Weselsky. „Die Genossenschaft ist die Lösung für diese Unverschämtheit“, sagte Weselsky der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf das Tarifeinheitsgesetz.

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