Konflikt in Ägypten: Auf Demos folgen Anschläge

Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern des Putsches gegen Muhammed Mursi fordern über 50 Tote und 200 Verletzte.

Sicherheitskräfte und Zivilisten nehmen in Kairo einen Mursi-Anhänger fest Bild: ap

KAIRO taz | Einen Tag nach massiven Protesten gegen Ägyptens Militärführung, bei denen am Sonntag mindestens 53 Menschen ums Leben kamen, wurden Militär und Polizei zum Ziel gleich mehrerer Anschläge. Fünf Soldaten kamen am Montag ums Leben, als ihre Patrouille in der Nähe der Suezkanal-Stadt Ismailia von Unbekannten angegriffen wurde. Zuvor war eine Autobombe in der Nähe des Polizeihauptquartiers der Stadt al-Tor im Südsinai explodiert. Fünf Menschen starben, 48 wurden verletzt. Und in Kairo wurde eine staatliche Satellitenstation mit Panzerfäusten angegriffen, die von ägyptischen Fernsehsendern benutzt wird. Dabei kam es aber nur zu leichten Sachschaden.

Ägypten bleibt politisch ein zerrissenes Land. Am Sonntag hatten die einen die ägyptische Armee zum 40. Jahrestages des Oktoberkrieges gegen Israel gefeiert und den Putsch zelebriert, mit dessen Hilfe vor drei Monaten die Muslimbrüder von der Macht gedrängt worden waren. An anderen Orten protestierten zugleich Zehntausende gegen den Putsch und den ägyptischen Militärchef Abdel Fatah al-Sisi.

Auch einige LIberale demonstrieren gegen das Militär

In Mohandessin, einem Viertel im Westen Kairos, hatten sich am Nachmittag über zehntausend Putschgegner versammelt, um in Richtung Innenstadt zu marschieren. Es war einer von einem halben Dutzend Märschen gestern allein in Kairo. Die meisten der Demonstranten gehörten den Muslimbrüdern an. Auffällig ist aber, dass sich auch eine kleine, aber wachsende Zahl von Nichtislamisten den Protesten anschließen.

Eine von ihnen war Hala Alam Eddin. „Ich bin eine Liberale und habe mit den Muslimbrüdern nichts am Hut“, erläuterte sie. „Aber wer wie der Muslimbruder Mohammed Mursi mit der Wahlurne an die Macht gekommen ist, muss durch sie wieder abgewählt werden“, argumentierte sie, westlich gekleidet und mit offenem Haar. „Die Muslimbrüder sind Ägypter wie wir. Wie kann jemand akzeptieren, dass deren Protestlager mit Hunderten Toten aufgelöst wurden, wenn du nur einen Funken von Menschlichkeit in dir hast“, fragte Hala.

Was Ägypten jetzt erlebe, sei nicht nur der Versuch, die Muslimbrüder auszuschalten. Es handele sich vielmehr um eine Konterrevolution, mit der die alten Mächte wieder zurückkehrten, sagte sie und fügte hinzu: „Ein Putsch kommt von oben. Eine Revolution von unten.“

Eine Art Rosenmontagumzug in Kairo

Ein paar Kilometer von Mohandessin entfernt, auf dem Tahrirplatz, feierten dagegen die Anhänger des Militärs und des Putsches den 40. Jahrestag des Oktoberkrieges gegen Israel von 1973. Zuvor waren sie mit großen Pappmaschee-Attrappen, die Panzer und Hubschrauber darstellen sollten und die sie auf ihre Fahrzeuge montiert hatten, im Stil des Rosenmontagumzugs über die Straße gezogen. Ein Auto trug einen Pappmaschee-Löwen auf dem Dachgepäckträger, der den Militärchef Abdel Fatah al-Sisi symbolisieren sollte.

Auf dem Tahrirplatz selbst herrschte Volksfeststimmung, während das Militär eine Hubschrauberparade über den Platz fliegen ließ. „Ich bin mit meiner ganzen Familie gekommen, nicht nur um den Jahrestag des Oktoberkrieges zu feiern, sondern auch weil unser Militär endlich mit den Muslimbrüdern aufgeräumt hat“, erklärte die Hausfrau Ghada mit jeweils einem Kind an der Hand, bevor sie an den gepanzerten Truppentransportern vorbei durch die strengen Kontrollposten des Militärs und dann weiter auf den Tahrirplatz ging.

Stundenlange Straßenschlachten

Da beide politischen Lager zu Demonstrationen mobilisiert hatten, blieben die Konfrontationen nicht aus. An mehreren Stellen in Kairo und an anderen Orten des Landes kam es zu stundenlangen Straßenschlachten zwischen der Polizei und den Anhängern des Putsches auf der einen und dessen Gegnern auf der anderen Seite. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden dabei 53 Menschen getötet, die meisten in Kairo, aber auch im südägyptischen Minja und in Bani Suwaif gab es Tote.

Die meisten der Opfer stammen aus den Reihen der Antiputsch-Demonstranten, von denen auch mehrere hundert verhaftet worden sein sollen. Die Zahl der Verletzten wurde auf mehr als 200 geschätzt. Die Regierung hatte zuvor erklärt, jeder, der während der Gedenkveranstaltung auf dem Tahrirplatz gegen die Armee auf die Straße gehe, werde als Agent feindlicher Mächte und nicht als Demonstrant angesehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.