Konfliktreicher Arbeitskampf bei Neupack: Die Flexi-Verarschung

Beschäftigte der Firma Neupack kämpfen gegen willkürliche Lohnpolitik. Die IG BCE gibt eine sanfte Linie vor – und macht dabei keinen guten Eindruck.

Die Gewerkschaften haben bei Arbeitskämpfen nicht mehr zwangsläufig den Hut auf. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es ist der wohl längste Arbeitskampf für einen Haustarifvertrag in der bundesdeutschen Geschichte – und ein Ende ist nicht in Sicht.

Seit 1. November 2012 befinden sich die Belegschaften des Lebensmittel-Verpackungsherstellers Neupack in Hamburg-Stellingen sowie im niedersächsischen Rotenburg an der Wümme im Streik – seit 157 Tagen. Doch der 72-jährige Geschäftsführer Jens Krüger, der seine 200 Beschäftigten nach Gutsherrenart behandelt, trotzt dem Gewerkschaftsriesen Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Tarifverträge sind für ihn Teufelszeug. Die Beschäftigten hingegen wollen, dass die Löhne nicht mehr individuell und völlig willkürlich festgelegt werden.

Erst am Wochenende musste die Führung der sozialpartnerschaftlich orientierten IG BCE erneut erkennen, dass auf die sanfte Tour nichts zu holen ist. Neupack ließ eine Frist verstreichen, bis zu der das Unternehmen erklären sollte, ob man nach einer möglichen Einigung auf Sanktionen gegen die StreikteilnehmerInnen verzichten würde.

Krüger hatte verlangt, dass alle Streikenden, die während des Arbeitskampfes wegen Beleidigung oder Nötigung von Arbeitswilligen angezeigt worden sind, unter eine „Maßregelungsklausel“ fallen. Das würde unter anderem den Betriebsratsvorsitzenden Murat Günes treffen, dem mehrfach fristlos gekündigt wurde. Die IG BCE musste die Gespräche nach der Abfuhr erneut für gescheitert erklären.

Mal rein, mal raus

Um die Firma an den Verhandlungstisch zu bekommen, hatte die Gewerkschaftsführung eine Zerreißprobe mit den Belegschaften in Kauf genommen. So wurde der Vollstreik nach zwölf Wochen Ende Januar ausgesetzt. Stattdessen war eine „flexible Streiktaktik“ – mal rein, mal raus – angeordnet worden. Angeblich auch, um den Streikbrechereinsatz von 60 polnischen Leiharbeitern kostspielig zu machen, da an streikfreien Tagen beide Belegschaften bezahlt werden mussten.

Diese „Flexi-Verarschung“, so viele Streikende, führte dazu, dass Neupack immer wieder seine Lagerbestände auffrischen konnte und die Streikenden sogar die Leiharbeiter ausbilden mussten. Von denen sind nun 40 bis 2014 fest eingestellt – und nehmen womöglich den Festangestellten nach Streikende die Jobs weg. Die IG-BCE-Führung ging sogar so weit, die Forderung nach einem Haustarifvertrag aufzugeben. Stattdessen erklärte sie, ein Entgeltsystem für die künftigen Löhne außerhalb des Tarifrechts per vertraglicher „Regelungsabsprache“ festschreiben zu wollen.

Auf einer Mitgliederversammlung vor Ostern gab es für die Strategie der IG-BCE-Funktionäre aus Hannover dafür heftige Kritik. In einigen Schichten war sogar diskutiert worden, ob nicht „wild“ gestreikt werden sollte, wenn die Führung kneife.

Dieser Zwist ist nach taz-Informationen seit dem Wochenende erst einmal beigelegt. Die Führung hat wieder grünes Licht für Vollstreiks gegeben. „Wir werden den Druck deutlich erhöhen“, sagte der örtliche Streikleiter in Hamburg, Rajko Pientka. Gemeinsam mit den Streikenden soll eine „neue Ebene des Streiks“ eingeleitet werden.

Auch IG-BCE-Verhandlungsführer Ralf Becker gibt sich kämpferisch. „Für uns ist dieser Streik noch nicht zu Ende.“ Man sei bemüht, „die Achillesferse des Unternehmens zu suchen“, so ein IG-BCE-Insider. „Wir sind dem Unternehmen bis zu Schmerzgrenze entgegengekommen. Damit ist jetzt Schluss.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.