Konzern spendiert Haltestelle: Ein Bahnhof für die Saatgutfirma

Im südniedersächsischen Einbeck wird ein neuer Bahnhaltepunkt eingeweiht. Die Deutsche Bahn muss dafür keinen Cent bezahlen.

Schienen, die mit Grünzeug bewachsen sind

Unkraut kann ungehindert wachsen, wenn Schienen nicht befahren werden Foto: Jens Büttner/dpa

GÖTTINGEN taz | Seit dem Amtsantritt des großen Bahnreformers Hartmut Mehdorn im Jahr 1999 hat die Deutsche Bahn Tausende Kilometer Schienen aus dem Boden gerissen und an die 2.500 Bahnhöfe verramscht. Unter dem Druck der Klimakrise und nach Vorgaben aus der Politik setzt ganz, ganz langsam ein Umdenken ein. Stillgelegte Strecken werden reaktiviert, Haltestellen für Züge wieder in Betrieb genommen. Aus dem Bundeshaushalt fließen dafür Milliarden.

Auch die südniedersächsische Stadt Einbeck war 30 Jahre vom Schienennetz abgekoppelt und wird erst seit einem Jahr wieder von Zügen angefahren. Wer zuvor aus der Bier-Stadt mit der Bahn reisen wollte, musste sich mit dem Auto oder dem Rad zu dem fünf Kilometer entfernten Bahnhof Salzderhelden begeben. Dort halten die Regionalzüge auf ihrem Weg nach Hannover oder Göttingen. Die Verbindung von Salzderhelden zum Bahnhof Einbeck-Mitte wird jetzt von der privaten Ilmebahn bedient.

Am Sonntag tuckert ein festlich geschmückter „Adventszug“ durch die Region, und in diesem Rahmen wird in Einbeck ein weiterer Bahnhaltepunkt offiziell eingeweiht. Das ist natürlich ganz im Sinne der neuen Strategie der Deutschen Bahn, und dieses Mal muss sie nicht einmal dafür bezahlen. Die neue Haltestelle „Einbeck Otto-Hahn-Straße“ liegt im Gewerbegebiet der Stadt – und nur wenige Schritte entfernt vom Hauptsitz des Saatgutkonzerns KWS.

Das Unternehmen ist ein ganz großer Player der Branche, nach Umsatz weltweit die Nummer vier, und war im Geschäftsjahr 2018/19 mit rund 5.500 Beschäftigten in mehr als 70 Ländern aktiv. Wegen seiner seit 1993 vorgenommenen Freiland-Versuche mit gentechnisch veränderten Zuckerrüben wurde der Konzern heftig von Umweltschützern kritisiert.

KWS hat schon das Krankenhaus gerettet

Gleichzeitig zählt KWS zu den großen Kultursponsoren der Region. Der Konzern bezuschusst Ausstellungen und Museen wie den „PS-Speicher“ in Einbeck. Auch das in der Insolvenz stehende Einbecker Krankenhaus konnte nur dank KWS-Millionen überleben. Die neue Bahn-Haltestelle hat das Unternehmen zu mehr als zwei Dritteln finanziert, den Rest steuert die Ilmebahn-Gesellschaft bei. Die Gesamtkosten für die Inbetriebnahme, Ausstattung und Beschilderung belaufen sich auf rund 350.000 Euro.

Pendler aus Göttingen könnten nun „in direkter Nähe des Firmengeländes aussteigen“, sagt Georg Folttmann, bei KWS zuständig für das Baumanagement. Dienstreisende des Unternehmens wiederum könnten ihren Wagen auf dem Firmengelände abstellen und ihre Reise an der Haltestelle Otto-Hahn-Straße antreten. Allein in Einbeck beschäftigt KWS rund 1.500 Mitarbeitende, jährlich werden dort etwa 7.000 Besucher empfangen.

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