Kriegsfront im Ost-Kongo: Die Revanche der Tutsi-Generäle

Ehemalige Mitstreiter des Tutsi-Generals Laurent Nkunda, der bis 2009 im Ostkongo kämpfte, verkünden die Gründung einer neuen Bewegung. Zehntausende sind auf der Flucht.

Die Flüchtlingslager in der Grenzregion Ruanda-Kongo füllen sich wieder. Bild: reuters

BERLIN taz | Die Meuterei wichtiger Teile der kongolesischen Armee im Osten des Landes weitet sich zu einer regelrechten Rebellion aus. In einer am Montag verbreiteten, angeblich am 6. Mai in Rutshuru verfassten Erklärung verkünden die Meuterer, die sich seit Wochen Kämpfe mit regulären Einheiten liefern, die Gründung einer „Bewegung des 23. März“.

Sie begründen dies mit dem „Scheitern“ des offiziell am 23. März 2009 vereinbarten Friedensprozesses zwischen Kongos Regierung und der ehemaligen Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) des Tutsi-Generals Laurent Nkunda.

Damit ist die Kriegsfront der Jahre 2006 bis 2009, als Nkundas Rebellen der Regierung die Kontrolle über die strategisch wichtige Provinz Nord-Kivu streitig machten, zumindest auf dem Papier wiederhergestellt.

Nkundas CNDP-Rebellion hatte im Januar 2009 ihren Chef gestürzt und den Krieg eingestellt. Nkunda wurde in Ruanda verhaftet, die CNDP wurde in Kongos Armee eingegliedert und ihr Militärführer Bosco Ntaganda wurde Oberkommandierender aller Sonderoperationen gegen Milizen im Ostkongo. Doch gegen Ntaganda liegt ein internationaler Haftbefehl vor.

Präsident Joseph Kabila steht seiner gefälschten Wiederwahl im November unter Druck, im Gegenzug für die internationale Duldung des Wahldesasters Ntaganda festzunehmen. Seit Anfang April befinden sich daher eine Reihe von Regimentern in Nord-Kivu, die Ntaganda unterstehen, im Aufstand. Mitte April setzte Kabila Ntaganda ab, woraufhin dieser sich in den Masisi-Bergen westlich der Provinzhauptstadt Goma verschanzte.

Die Aufständischen brachten Ende April in einer Reihe von Blitzaktionen den Großteil der ehemaligen CNDP-Gebiete in den Distrikten Masisi und Rutshuru wieder unter ihre Kontrolle.

Angesichts von Gegenoffensiven in Masisi zogen sie sich dann aber weitgehend in die Region zwischen Rutshuru und der Grenze zu Uganda zurück. Geführt werden sie jetzt von Oberst Sultani Makenga, einst Nkundas wichtigster Feldkommandant. Makenga wird als „Koordinator“ der „Bewegung 23. März“ genannt, ihr militärischer Flügel nennt sich ANC (Nationale kongolesische Armee), so wie in den Kongokriegen 1998-2003 der bewaffnete Arm der damals im Ostkongo herrschenden Rebellen.

Unglaubwürdige Dementis

Die Rebellen bestreiten jeden Zusammenhang mit Bosco Ntaganda, und der bestreitet, etwas mit den Meuterern zu tun zu haben, da er ja abgesetzt sei. Die Dementis stoßen bei Beobachtern auf wenig Glauben.

Der politische Vorstoß der Meuterer verkompliziert jedenfalls den Konflikt in Nord-Kivu, den die Regierungsseite zuletzt bereits als faktisch gewonnen dargestellt hatte. Am Samstag hatte das Militär eine Feuerpause ausgerufen und den Rebellen ein fünftägiges Ultimatum gesetzt.

All dies findet in dichtbesiedeltem Gebiet statt, und so entwickelt sich ein Flüchtlingsdrama. Zeitweise überquerten zuletzt täglich bis zu 1.000 Menschen aus dem Kongo die Grenze nach Ruanda. Am Stadtrand von Goma füllen sich alte Flüchtlingslager, die sich seit 2009 geleert hatten, erneut mit Bauernfamilien aus Masisi.

Mehrt als 2 Millionen Flüchtlinge

So hat die Zahl der Binnenvertriebenen im Kongo erstmals seit Juli 2009 wieder die 2-Millionen-Marke überschritten. Wie die humanitäre UN-Abteilung OCHA mitteilt, gab es bereits Ende März im Kongo 2,01 Millionen Vertriebene, 240.000 mehr als Ende 2011.

70 Prozent davon befinden sich in den Kivu-Provinzen. Der Grund: vermehrte Kämpfe zwischen Armee und lokalen Milizen seit den Wahlen, was ein Auslöser für die zunehmende Unzufriedenheit der einstigen CNDP-Offiziere gewesen ist.

Die Zahlen steigen seitdem noch schneller. Laut UNO flohen 50.000 Menschen allein in den drei Tagen Ende April, als in den Masisi-Bergen schwere Kämpfe tobten.

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