Krise im Irak: Niemand will ihn mehr

Der Rückhalt für den irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki schwindet. Doch der 63-Jährige hält an der Macht fest – auf Kosten seines Landes.

Sunniten werden unter ihm systematisch diskriminiert: Al-Maliki. Bild: ap

BAGDAD dpa | Keine zwei Monate ist es her, da feierte Iraks Premier Nuri Al-Maliki einen erneuten Wahlsieg. Aus der Abstimmung über das neue Parlament Ende April ging seine Rechtsstaat-Allianz klar als stärkste Kraft hervor - alles schien auf eine dritte Amtszeit des 63-Jährigen an der Spitze der Regierung hinauszulaufen. Doch mit dem Vormarsch der sunnitischen Isis-Terrormiliz im Norden und Westen des Landes gerät seine Macht ins Wanken. Schon längst hat der Kampf um einen möglichen Nachfolger Al-Malikis begonnen.

Immer lauter werden die Rufe nach einer Ablösung des schiitischen Premierministers, nicht nur im Ausland, sondern auch im Irak selbst. Zwar verfügt Al-Malikis Rechtsstaat-Allianz im Parlament über mehr als 90 Sitze – dennoch ist sie auf Koalitionspartner angewiesen, um eine Mehrheit für die neue Regierung zu bekommen.

Doch keiner der anderen großen politischen Blöcke scheint gewillt, dem Premier diese zu bescheren. Die Kurden, bisher im Kabinett von Al-Maliki vertreten, wollen ihn derzeit ebenso wenig wiederwählen wie die sunnitischen Kräfte – die sich von dem autoritär agierenden Regierungschef schon seit langem benachteiligt fühlen. Deren größter Block, die Koalition „Al-Muttahidun“, verlangt stattdessen eine „Regierung der nationalen Rettung“ mit jeweils einem Schiiten, einem Sunniten und einem Kurden an der Spitze.

Nicht einmal unter den Schiiten findet Al-Maliki noch uneingeschränkten Rückhalt. Unmut über die Politik in Bagdad ist etwa schon seit langem im südirakischen Basra zu hören, einer überwiegend von Schiiten bewohnten Stadt. Die „Basrawis“ fühlen sich von der starken Knute der Zentralregierung in Bagdad gegängelt.

Kritik vom Großajatollah

Großajatollah Ali al-Sistani – als höchster schiitischer Geistlicher im Land auch in der Politik eine einflussreiche Stimme – nutzte zuletzt die für Schiiten heilige Stadt Kerbela für eine Botschaft an Al-Maliki. In seiner Freitagspredigt forderte er ein neues Kabinett, das alle großen politischen Blöcke einbezieht und die Fehler der Vorgängerregierung vermeidet – eine deutliche Kritik.

Al-Malikis von Schiiten dominierte Regierung hat die Sunniten im Land systematisch diskriminiert und damit der neuen Krise und dem Vormarsch der sunnitischen Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) überhaupt erst den Weg bereitet. Zum Ende der zweiten Amtszeit des Premiers steht das Land nicht nur vor einem neuen Bürgerkrieg, sondern vor dem Zerfall.

In Bagdad kursieren bereits mehrere Namen, wer künftig die Regierung leiten könnte. Gehandelt wird etwa Adil Abd al-Mahdi, ein Ökonom, der nach dem Sturz Saddam Husseins vor elf Jahren bereits Finanzminister und bis 2011 Vize-Präsident war. Genannt wird auch der Name von Wissenschaftsminister Ali al-Adib, ein Parteifreund Al-Malikis. Im Rennen um den Job des Ministerpräsidenten ist angeblich auch Ahmed Tschalabi, der zu Saddam Husseins Zeiten an der Spitze der Opposition im Ausland stand und damals von Washington gefördert wurde.

Allerdings sind die politischen Parteien im Irak derart zerstritten, dass eine Einigung auf einen Kompromisskandidaten schwierig sein dürfte. Und Al-Maliki denkt nicht daran, Platz für andere zu machen. Er versucht die aktuelle Krise sogar noch zur Ausweitung seiner Macht zu nutzen. Nachdem das Parlament sich seiner Forderung widersetzt hatte, den Notstand im Irak zu erklären, begann er zwar einen Dialog mit Vertretern anderer politischer Blöcke. Zugleich ging er aber dazu über, Freiwillige – die sich nach seinem Aufruf den Dschihadisten entgegenstellen – zu bezahlen und damit den Einfluss der regulären Armee weiter zu mindern.

Analysten der International Crisis Group (ICG) resümieren: „Unter Ministerpräsident Al-Maliki wurde der Sicherheitsapparat geschwächt, das Parlament zahnlos gemacht und andere Institutionen wurden ausgeweidet.“ Allein ein US-Militärschlag würde ihrer Meinung nach wenig bringen und die Lage vielleicht sogar verschlimmern. Ein Aufstand könne nur erfolgreich bekämpft werden mit einer effektiven Armee, einer anerkannten Polizei und einer legitimen politischen Führung, sagen sie. Doch nach acht Jahren Regierung Al-Maliki gibt es im Irak nichts davon.

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