Krisen-Tourismus: "Ich bin kein Draufgänger"

Nicht Krieg, Entführungen noch die Angst der Freundin halten ihn ab: Martin Lutz (34) reist nächste Woche nach Afghanistan. Warum ausgerechnet dorthin? Gerade jetzt?

Afghanistan ist ein schönes Land. Doch, wirklich! Bild: ap

taz: Herr Lutz, Sie reisen am Montag ab nach Afghanistan. Sind Sie noch bei Trost?

Martin Lutz: Ich denke schon.

Jüngst wurden dort 23 Koreaner entführt, eine deutsche Geisel ist tot, eine andere befindet sich noch in Gefangenschaft. Haben Sie keine Angst?

Grundsätzlich bin ich ein sehr ängstlicher Mensch und kein Draufgänger. Selbstverständlich ist Afghanistan ein gefährliches Land. Aber man kann das Risiko einschätzen und minimieren.

Und wie?

Es gibt Gebiete, die sind gefährlich. Es gibt Gebiete, die sind gefährlicher. Und es gibt Gebiete, die sind ungefährlich. Es ist nicht unbedingt so, dass jeder Ausländer, der sich in Afghanistan aufhält, entführt wird.

Das heißt, Sie fahren in eine ungefährliche Gegend?

Mein Zielgebiet ist der Wakhan-Korridor ganz im Nordosten Afghanistans.

Der liegt in der Provinz Badachschan, der ärmsten des Landes, und die ist das Hauptanbaugebiet für Opium. Wie kommen Sie darauf, dass es dort nicht gefährlich wäre?

Diese Provinz ist so weit vom Schuss, dass dort die Konflikte, die das Land seit der russischen Besetzung so unsicher gemacht haben, keine Rolle spielen.

Dort gibt es keine Taliban?

Die Taliban sind dort angeblich noch nie gewesen.

Dennoch: Das Auswärtige Amt warnt dringend vor Reisen nach Afghanistan. Gibt Ihnen das nicht zu denken?

Das gibt mir selbstverständlich zu denken. Wenn man so eine allgemeine Reisewarnung liest, dann muss man davon ausgehen, dass es sehr gefährlich ist, sich in dem Land aufzuhalten. Nachdem ich aber vor drei Jahren schon einmal in Afghanistan war, damals allerdings nur in Kabul, habe ich die Erfahrung gemacht, dass man sich vor Ort durchaus informieren kann, wo es gefährlich ist und wo nicht.

Wer sagt einem das?

Die Einheimischen vor Ort und die Mitarbeiter der diversen Hilfsorganisationen. Aber auch die deutsche Botschaft in Kabul kann einem da helfen.

Sind die Leute in der Botschaft nicht genervt, wenn da ein Tourist auftaucht, den sie dann vielleicht nur wenige Tage später mühsam aus Geiselhaft befreien müssen?

Als ich vor drei Jahren dort war, kam eine deutsche Reisegruppe mit zwei Campingbussen an. Die haben gefragt, ob sie auf dem Botschaftsgelände übernachten können. Die hatten nicht gewusst, dass es in Kabul keinen Campingplatz gibt. Und so etwas nervt die Mitarbeiter der Botschaft selbstverständlich - wenn da Ahnungslose kommen, die offensichtlich nicht wissen, worauf sie sich einlassen.

Und Sie wissen das?

Ich nehme mir heraus, zu sagen, dass ich das weiß. Ich reise mit einem afghanischen Begleiter. Das ist sehr wichtig, jemanden zu haben, der sich vor Ort auskennt, der die Sprache kennt und Kontakte hat.

Warum reisen Sie eigentlich ausgerechnet nach Afghanistan? Aus Abenteuerlust?

Ich fahre nicht nach Afghanistan, weil ich unbedingt nach Afghanistan fahren will, sondern ich fahre in dieses Gebiet, obwohl es in Afghanistan liegt. Mich interessiert der Wakhan-Korridor, weil er sowohl landschaftlich sehr reizvoll ist als auch und vor allem kulturell, weil man dort auf eine afghanische Urgesellschaft trifft, die bisher von äußeren Einflüssen kaum berührt wurde. Dort zeigt sich das eigentliche und sehr wertvolle Afghanistan. Das möchte ich kennen lernen. Und ich habe einen inneren Auftrag.

Und der wäre?

Ich will der Welt berichten. Von der Schönheit des Landes. In den Zeitungen liest man seit Jahren sehr viel über Afghanistan, aber fast ausschließlich über die schlechten Seiten, über die Gewalttätigen, über die Fanatiker, über ein marodes Land mit kaputten Menschen, die seit dreißig Jahren nichts anderes zu tun haben, als sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Meine Erfahrung aus Reisen auch in die pakistanische Grenzregion zu Afghanistan ist aber, dass dort Menschen leben, die eine unglaublich schöne soziale Kultur pflegen. Diese Kultur will ich begreifen lernen und darüber berichten, sei es nun journalistisch oder meinen Freunden. Gerade in der heutigen Zeit, in der die islamische Welt bei vielen als verroht und minderwertig gilt, finde ich das sehr wichtig.

Was halten denn die Freunde, denen Sie später berichten wollen, von Ihren Reiseplänen?

Zum Teil sind die sauer auf mich, weil sie mich für verantwortungslos halten. Und meine Freundin hat schlicht Angst. Ich treffe insgesamt auf sehr viel Widerstand. Es gibt kaum jemanden, der sagt, toll, was du da machst. Aber das erwarte ich auch nicht.

INTERVIEW: STEFAN KUZMANY

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