Kürzung bei Flüchtlingshilfe: „Willkommen in Arbeit“ schließt

Ein Spandauer Flüchtlingsprojekt droht bis zum Jahresende das Aus, weil der Sozialverwaltung das Geld fehlt.

Beraterin im GIZ Büro berät Flüchtling

Zum Jahresende soll mit den Beratungen Schluss sein Foto: Sophie Kirchner

BERLIN taz | Vor vier Jahren war der Syrer schon einmal in dem „Willkommen in Arbeit“-Büro in Spandau. Er wurde in einen Deutschkurs vermittelt, bekam Hilfe beim Schreiben des Lebenslaufs und fand mit Unterstützung des Büros einen Arbeitsplatz. Jetzt ist er wieder hier. Den vermittelten Job kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht länger ausüben. Er möchte U-Bahn-Fahrer werden und braucht Hilfe, um einen Ausbildungsplatz zu finden.

Für Laura Geiling, Migrationsberaterin von der GIZ GmbH, ist das ein vergleichsweise einfacher Fall: „Geflüchtete haben oft andere Probleme bei der Jobsuche als andere Leute, und hier finden sie alles aus einer Hand“, sagt sie. Da geht es etwa um Schulabschlüsse, die nachgeholt werden müssen, um die Anerkennung vom im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen, um Sprachhürden und aufenthaltsrechtliche Fragen.

Letzteres war so bei dem 19-jährigen Libyer, der in ihrem Büro nur Hilfe beim Schreiben des Lebenslaufes suchte. „Er war abgelehnter Asylbewerber, hatte nur eine Duldung, sprach aber fast akzentfrei Deutsch und ging zur Schule“, sagt Geiling. „Im Gespräch zeigte sich, dass er ein Fall für das Chancen-Aufenthaltsrecht war.“

Das bekam er und mit dem darf er bald sogar eine Ausbildung beginnen, worauf er nie Hoffnung hatte. „Und seine Eltern haben nach sieben Jahren Nichtstun in Deutschland erstmals die Möglichkeit, Deutsch zu lernen und können später auch arbeiten“, erzählt die Beraterin.

Kein Geld im Landeshaushalt

Ein anderer Fall: Ein 30-jähriger Eritreer, der 2015 nach Deutschland kam und bisher im Reinigungsgewerbe arbeitete, möchte ebenfalls U-Bahn-Fahrer oder auch S-Bahn-Fahrer werden. Doch er hat nie einen Schulabschluss erworben. Den müsste er erst einmal nachholen, auch sein deutsches Sprachniveau verbessern. Ein komplexer Beratungsfall, für den man normalerweise viele verschiedene Stellen aufsuchen müsste. Hier gibt es alles aus einer Hand.

Im „Willkommen in Arbeit“-Büro arbeiten vier Angestellte. Dazu kommen 16 BeraterInnen und SprachmittlerInnen, die auf verschiedene Themen spezialisiert sind, regelmäßig in das Ladenlokal in der Spandauer Altstadt. Dieses und ein weiteres Büro in Lichtenberg wurden 2016 eröffnet, um Geflüchteten schneller eine Arbeit zu vermitteln.

Doch zum Jahresende sollen sie geschlossen werden. Im Entwurf für den Landeshaushalt sind keine Gelder mehr dafür vorgesehen. Stefan Strauß, Sprecher von Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), begründet das mit knappen Finanzen. „Die zur Verfügung stehenden Mittel reichen nicht aus, um alle bisher geförderten Maßnahmen fortzusetzen.“ Allerdings würden, so Kiziltepe, die Beratungen nicht ersatzlos gestrichen. Sie würden beispielsweise „in den Stadtbezirken, Unterkünften für Geflüchtete“, in Volkshochschulen und anderen bereits bestehenden Einrichtungen fortgesetzt.

Die Spandauer BeraterInnen schütteln den Kopf. „Ich kann meinen Ratsuchenden keine Stelle nennen, wo sie ab Januar hingehen können“, sagt eine Beraterin der taz. Die grüne Abgeordnete Tonka Wojahn teilt die Problemsicht: „Wenn der Senat die Ausbildungsberatung, Berufsorientierung und Arbeitsvermittlung den Volkshochschulen und Flüchtlingsheimen übertragen will, muss er ihnen dazu auch die personellen Ressourcen zur Verfügung stellen, damit sie mit diesem ganzheitlichen Konzept für die Zielgruppe arbeiten können.“

Sinkende Kundenzahlen

Die Grünen haben einen Änderungsantrag zum Haushaltsentwurf gestellt, der Kürzungen für Berufsvorbereitung, Jobcoaching und Beratungen zurücknehmen sollte. Doch der wurde, so Wojahn, abgelehnt. Sie sagt: „Dabei haben wir gerade hier eine dynamische Situation. Es kommen weitere Geflüchtete, sie brauchen ganzheitliche Konzepte mit dauerhaften AnsprechpartnerInnen und Vertrauenspersonen.“

Eine unterschiedliche Wahrnehmung gibt es auch beim Bedarf: So habe der Senat ihr mitgeteilt, dass die „Willkommen in Arbeit“-Büros stark sinkende Kundenzahlen hätten. „In diesem Jahr sollen es laut Senat nur 387 Beratungsgespräche gewesen sein“, sagt Wojahn. Das Spandauer Büro selbst hat allerdings in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 1.200 spontane Kurzberatungen plus 2.000 Beratungen nach Terminvereinbarung statistisch erfasst. Tendenz steigend, sagt Geschäftsführerin Britta Marschke. Hinzu kämen Informationsveranstaltungen zu konkreten Berufsfeldern wie beispielsweise die Altenpflege.

„Der Bedarf an unseren nie­drigschwelligen ganzheitlichen Beratungen ist da. Wir erreichen die Zielgruppe, haben bei vielen Menschen seit sieben Jahren Vertrauen aufgebaut und tragen dazu bei, dass Geflüchtete schneller und passgenauer Arbeit finden“, sagt Marschke.

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