Kunst in Krisenzeiten: Wie sie trösten kann

Kunst ist ein wichtiges Instrument. Sie stößt Diskussionen an, verbindet Menschen miteinander und hilft uns dabei, Erfahrungen zu verarbeiten. Aber Kunst zu schaffen, ist nicht einfach.

Theaterprobe: Frauen tragen kugelförmige Helme auf dem Kopf und recken die Faust nach oben

Performerinnen während der Fotoprobe zu Solidaritätsstück von Simone Dede Ayivi im September 2019 Foto: Martin Müller/imago

Den ganzen Tag laufen die Nachrichten. Dazu scrollt der Daumen auf dem Handybildschirm. Erst auf Instagram, dann auf Tiktok, dann rüber zu dem, was ein mal Twitter war. Schnell wieder weg dort und der Kreislauf beginnt von vorne.

Dazwischen kommuniziere ich mit Freun­d*in­nen und Kolleg*innen. Mein ganzes Umfeld ist in Aufruhr. Am Ende des Tages merke ich, dass ich eigentlich hätte arbeiten sollen.

Ich bin Theaterregisseurin und ich mag meinen Beruf, weil er für alles Platz lässt, was mich umtreibt. Wenn mich ein Thema interessiert, ich mehr lernen und es mit anderen Menschen bearbeiten will, dann mache ich ein Projekt dazu. Theater ist ein kommunikatives Format und bringt Menschen in einem Raum zusammen, um ein Stück oder eine Performance zu sehen. So kann Gemeinschaft und Austausch entstehen.

Kunst hilft uns, Fragen zu stellen

Kunst muss keine Antworten liefern, sondern kann uns dabei helfen, gemeinsam Fragen zu stellen, Gefühle auszudrücken, Ungewissheiten und Gleichzeitigkeiten aufzeigen. Sie lädt zu eigenen Assoziationen und Interpretationen ein und die Erfahrung, dass alle eben genau den gleichen Theaterabend gesehen haben und dann doch jede für sich mit ganz eigenen Schlussfolgerungen das Theater verlässt, hilft uns unterschiedliche Perspektiven wahrzunehmen und vielleicht sogar Differenz besser auszuhalten.

Die anregendsten politischen Diskussionen habe ich nach dem Theater. Auch wenn diese Diskussionen nach dem zweiten Getränk schon nichts mehr mit der eigentlichen Vorstellung zu tun haben. Kunst hat mir auch schon oft Trost gespendet und war da, wenn ich mich einsam gefühlt habe.

Gerade heute selbst künstlerisch tätig, kreativ und produktiv sein zu müssen, überfordert mich. Das hat wahrscheinlich nicht nur mit der aktuellen Situation zu tun, sondern mit der langen Reihe von Krisen, mit denen Kulturschaffende in den letzten Jahren konfrontiert waren und weiterhin sind.

Nachdem am 19. Februar 2020 in meiner Heimatstadt Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet wurden, habe ich ein Stück über die Auswirkungen von rassistischer Gewalt auf migrantische Familien gemacht. Und damit es trotz der Pandemie viele Menschen sehen können, direkt eine digitale Version hinterher.

Hoher Anspruch an Kultur

Für mich ist das eine Form von Selbstermächtigung und von Solidarität. Ich mache das für mich und ich mache das für euch und gemeinsam spenden wir uns Trost, hören einander zu, feuern ein­ander an. Wir stellen menschliche Verbindung her und schaffen mehr Gerechtigkeit. Vielleicht bringen wir Kulturschaffenden auch einfach nur Unterhaltung und Abwechslung in unsere Städte.

In Krisenzeiten wächst der Anspruch an die Kultur, Stellung zu beziehen und für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen und gleichzeitig wird sie als verzichtbar erklärt. In der Pandemie wurden Kultureinrichtungen als erstes geschlossen. Bei leeren Staatskassen werden der Kultur als erstes die Mittel gekürzt.

Die letzten Jahre waren zermürbend. Ich bin müde, aber wie andere Leute auch gehe ich trotzdem zur Arbeit. Ich will auch weitermachen, aber eben nicht im Sinne von „the show must go on“, sondern um nach neuen Mitteln und Wegen zu suchen, damit sich mein Job weiter relevant anfühlen kann. Im Suchen sind wir ja ganz gut.

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Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.

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